10. August 2022
Schon zwei Tage nach unserer Rückkehr aus der Provence (siehe Blog-Eintrag „Knöpfe und Lavendelduft“) habe ich meinen kleinen roten Knopfwerkstatt-Flitzer wieder bis unters Dach vollgepackt und bin in Richtung Schweiz aufgebrochen. Im Ballenbergzentrum im Berner Oberland hatte ich schon im Februar zwei Kurse gegeben und freute mich darauf, wieder an diesem ganz besonderen Ort zu unterrichten.
Ich war auch sehr gespannt darauf, das Freilichtmuseum Ballenberg im Sommer zu erleben, denn im Februar war ich nur einmal in der Abenddämmerung eine Stunde lang durch das weitläufige Gelände gewandert und hatte dabei die Bekanntschaft eines einsamen Alphornbläsers gemacht, der unter dem Vordach einer Scheune übte: ein magisches Erlebnis, im abendlichen Dunst von Alphornklängen begleitet zu werden.
Die Voraussetzungen für die Kurse waren wie im Winter erstklassig: ein großer Raum im kühlen Untergeschoss (direkt neben der Cafeteria!) mit viel Platz für alle Teilnehmerinnen, Licht, Kabeltrommeln und (danke, Lukas!) zwei nagelneuen Adaptern für die Schweizer Steckdosen.
Wie sich herausstellte, hatten die Teilnehmerinnen an beiden Zwei-Tages-Kursen (Posamentenknöpfe und Zwirnknöpfe) ausgezeichnete Vorkenntnisse in textilen Techniken, sodass wir vom Sternknopf bzw. dem Zwirnstern zügig zu anspruchsvolleren Techniken übergehen konnten.
Patricia, von Beruf Handarbeitslehrerin, war volle vier Tage in beiden Kursen dabei und hat ihre Knöpfe ganz besonders sorgfältig dokumentiert und abends sogar noch in ihrer Pension Überstunden gemacht, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein. Ich habe mich sehr darüber gefreut, denn genau dafür habe ich dieses Notizbuch „Meine Knöpfe“ entwickelt – und so akkurat hat es wohl noch nie jemand geführt.
Die gewebten Herzknöpfe waren im Posamentenknopfkurs besonders beliebt, aber es sind auch viele andere schöne Knöpfe in den zwei Tagen entstanden. Wir hatten mit einem gewickelten Sternknopf und einem Glatten Knopf angefangen und uns über den Augsburger Knopf zum Viereckknopf und zum Schwälmer Hutknopf vorgearbeitet.
Die Teilnehmerinnen im Zwirnknopfkurs waren überhaupt nicht zu bremsen. Die Grundtechnik hatten wir am Zwirnstern geübt und darauf aufbauend Kronkorken eingearbeitet und Blüten ins Grundgerüst eingestickt. Auf vielfachen Wunsch haben wir uns am Schluss noch einen Exkurs zum Yorkshire Button gegönnt.
Eine besondere Freude war es für mich, am Abend nach einem Kurstag Gerda, eine Knopfmacherin aus der Gegend, persönlich zu treffen, die ich bisher nur über die Knöpfe-Gruppe auf Facebook und über Online-Kurse kennengelernt hatte. War das schön, gemeinsam zu Abend zu essen und anschließend durch das abendlich ruhige Freilichtmuseum zu wandern!
Überhaupt – das Freilichtmuseum! Es war ein außerordentliches Vergnügen, morgens und abends durch das Gelände zu streifen, wenn das Museum noch nicht oder nicht mehr geöffnet hatte. Ich habe die Gelegenheit täglich genutzt und sogar mein Frühstück auf meine ein- bis zweistündige Runde mitgenommen. Zwar waren zu diesen Zeiten die Häuser geschlossen, aber es war allein schon ein Genuss, von der Zentralschweiz ins Tessin und vom Wallis nach Graubünden zu wandern, vorbei an Weiden mit Ziegen, Pferden oder Kühen, Bauerngärten, Weinreben und durch Waldstücke.
Am ersten und am letzten Tag konnte ich zu den Öffnungszeiten auch einen Blick in die Häuser, in die Werkstätten und in die Sellerie werfen, und auch das hat sich wirklich gelohnt. Hier ein paar Impressionen:
Der Posamentenknopfkurs hat sogar am ersten Tag nach dem Mittagessen eine Exkursion ins Museum unternommen, um den Posamentenband-Webstuhl in Aktion zu erleben. Was für eine beeindruckende Maschine, auf der aus feinsten Fäden – einst Seide, heute Viskose – gleichzeitig viele schmale Bändchen entstehen! Die Technik ist wirklich ausgeklügelt, denn die winzigen Schiffchen dürfen ja nicht über die komplette Breite des Webstuhls geschossen werden, sondern müssen immer bereits nach der Kette für das jeweilige Bändchen wenden.
Natürlich habe ich auch den berühmten Trauffer-Kühen einen Besuch abgestattet, die in der Schweiz offenbar jedes Kind kennt und die in Hofstetten, ein paar hundert Meter vom Ballenbergzentrum entfernt, hergestellt werden. Seit Juli gibt es dort die Trauffer Erlebniswelt, in der man unter anderem den Werdegang einer solchen Kult-Kuh in vielen Arbeitsschritten verfolgen kann. Ein netter Gag ist das Spiegelkabinett, in dem Hunderte von Holzkühen durch die Spiegelungen zu einer schier unübersehbaren Herde werden. Und sogar ein paar knopfwerkstattfarbene Exemplare sind dabei.
Einen Ausflug an den Brienzer See habe ich mir nur am letzten Abend gegönnt – nach Kursende und vor einem weiteren Highlight im Museum, das mir wirklich ans Herz gewachsen ist: einer Theateraufführung in der Abenddämmerung (siehe unten).
In Brienz hatte die ganze Woche über ein Holzbildhauer-Symposium am Seeufer stattgefunden, dessen Ergebnisse am Samstagabend präsentiert wurden.
Für den späteren Abend hatte ich ein Ticket für die Inszenierung „Brandboden oder Wie Melk die Kohle aus dem Feuer holt“ des Landschaftstheaters Ballenberg gebucht und wurde nicht enttäuscht. Die Adaptation des Märchens „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff als Wandertheater mit mehreren Stationen im Freilichtmuseum war ausgesprochen eindrucksvoll – bis hin zu den im Wald rot flackernden gestohlenen Herzen, die über verborgene Lautsprecher pochten.
Am Sonntagmorgen habe ich dann noch eine Runde durchs Museum gedreht, um mir vor der fünfstündigen Heimfahrt die Füße zu vertreten. Leicht ist mir der Abschied nicht gefallen – aber ich freue mich schon jetzt darauf, im Oktober wieder im Ballenbergzentrum zu unterrichten. Zuvor geht’s Ende August erst einmal in die entgegengesetzte Richtung: zu einem Wochenendkurs nach Brandenburg auf den Werenziahof von Sabine Reichert-Kassube.
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