30. Mai 2022
Einer der schönen Aspekte am Beruf als Knopfmacherin ist, dass mich meine Kurse immer wieder an interessante Orte führen und jedesmal mit anderen Menschen zusammenbringen. Diesmal durfte ich eine eingeschworene Gruppe von Klöpplerinnen um die rührige Waltraud Steeb bei der Volkshochschule Ehingen an die Knopfmacherei heranführen. Der Kontakt war auf einem Umweg über die Schweiz entstanden, und so kamen nicht nur Klöpplerinnen aus dem näheren Umkreis zum Kurs, sondern auch zwei Teilnehmerinnen aus der Schweiz und eine aus Köln, die sechs Stunden mit Zug und Bus unterwegs war.
Große Freude schon bei der Ankunft: Das ehemalige Franziskanerkloster, in dem die VHS Ehingen ihren Sitz hat, ist eine malerische Anlage, und der Seminarraum im zweiten Stock lässt buchstäblich keine Wünsche offen. Kisten und Kästen mit Material, Anschauungsobjekten und technischem Equipment lassen sich mit Rollwägen vom Eingang im Erdgeschoss per Aufzug nach oben und direkt in den Raum befördern, es gibt einen Abstellraum und – tadaaaa! – ein riesiges Smartboard, das sich erstaunlich einfach mit meinem Laptop verbinden ließ, sodass ich alle Arbeitsschritte für alle gut sichtbar auf dem Bildschirm zeigen konnte, ohne Leinwand und Beamer aufbauen zu müssen. Ein wirklicher Gewinn für den Kurs!
Die begeisterten Klöpplerinnen, die sich in Chainette- und Hohlspitze ebenso auskennen wie im Klöppeln von Jugendstilmustern oder plastischen Blüten, sind sehr vielseitig an diversen Textilkunstthemen interessiert, die selbst mir nach 30 Jahren als Redakteurin von Kreativthemen noch neu waren. So fiel mir in Waltraud Steebs Kursprogramm das Wort „Jatte“ auf: „Schmuck aus Rosshaar auf der Jatte“.
Rosshaar? Jatte? Schmuck aus Menschen- oder Rosshaar ist mir im Laufe der Jahre immer wieder in Museen begegnet, beispielsweise Uhrketten, die junge Frauen im 19. Jahrhundert aus ihren eigenen Haaren für den Liebsten geflochten hatten. Aber darüber, wie solche kleinen Kunstwerke entstanden sind, hatte ich mir nie große Gedanken gemacht – bis zu diesem Wochenende.
Am Abend nach den ersten Knopfworkshopstunden, in denen wir uns mit dem Grundgerüst und den einfachen Wickeltechniken beschäftigten, lud Waltraud Steeb uns zu sich nach Hause ein und demonstrierte mir an der von ihrem Mann gebauten und immer wieder verbesserten Jatte, wie sie aus Rosshaar kunstvolle Hohlgeflechte klöppelt.
Die Methode erinnert an die japanische Kumihimo-Technik zum Flechten von Kordeln, allerdings arbeitet Waltraud Steeb mit wesentlich mehr und wesentlich dünneren Fäden aus einem bis drei Rosshaaren. Über ihre Halsketten und Ringe mit filigranen eingelegten Flechtbändern habe ich sehr gestaunt und mich gefreut, eine Wissenslücke geschlossen zu haben.
Die Wissbegier der Kursteilnehmerinnen und ihre Begeisterung für die Kopfmacherei waren so groß, dass manchmal fast (aber wirklich nur fast!) die in dieser Gruppe traditionellen Kaffeepausen am Vormittag und am Nachmittag vergessen worden wären: Augsburger Knopf, Zwirnstern, Zwirnstern mit integriertem Kronkorken und schließlich der Viereckknopf – erst nur gewickelt, dann mit eingewebten Mustern – entstanden und regten die Kreativität der Klöpplerinnen an. Bettina aus Köln webte beispielsweise den Kölner Dom in ihren Viereckknopf ein, Jolanda aus der Schweiz gestaltete ihr Monogramm, und Tina verzierte über Nacht rasch zwei ihrer Zwirnknöpfe mit Perlen.
Entsprechend eindrucksvoll fiel dann am Sonntagmittag das Abschlussfoto aus:
Auch wenn sie nicht geklöppelt sind: Diese Knöpfe sind Spitze, finde ich. Und die Klöpplerinnen sind der Knopfmacherei offensichtlich noch lange nicht überdrüssig, denn wir haben schon einen neuen Termin fürs Himmelfahrtswochenende 2023 ins Auge gefasst. Dann wollen sie nicht nur Knöpfe gestalten, sondern auch Yubinuki, japanische Fingerhutringe, die sie auf einem meiner Anleitungsblätter gesehen haben und mit ihrem Rosshaarschmuck kombinieren wollen. Ein bisschen Klöppelspitze gab’s am Ende doch noch: Edeltraud überreichte mir eine Dankeskarte mit handgeklöppeltem Herz. Den Dank gebe ich gern zurück!
Wer jetzt Lust bekommt, die Knopfmacherei selbst einmal auszuprobieren, hat im Juli und August in ganz unterschiedlichen Gegenden die Möglichkeit dazu: Vom 6. bis zum 9. Juli gebe ich zwei Zweitageskurse im Kurszentrum Ballenberg im Berner Oberland, am 30./31. Juli mache ich mit meiner Knopfwerkstatt im Wampendobler Paradies in Niederbayern Station, und am 27./28. Juli komme ich schon zum zweiten Mal auf den Werenziahof von Sabine Reichert-Kassube in Brandenburg.