Ein Wochenende für Knopf-Verrückte

15. April 2024

Vor dem Landauer-Haus in Krumbach stimmte schon ein Banner auf die Knopfmachertage ein.

Der April steht dieses Jahr eindeutig im Zeichen der Knöpfe: Nur wenige Tage nach meiner Rückkehr von der Trachtenwerkwoche in Babenhausen habe ich mein rotes Knopfmobil wieder beladen und bin nach Krumbach zu den Knopfmachertagen gereist. Drei Tage intensives Lehren und Lernen zusammen mit anderen erfahrenen Knopfmacherinnen im Landauer-Haus, dem Sitz der Trachtenkultur-Beratungsstelle des Bezirks Schwaben standen an: Am Freitag stellte ich selbst die Muster und Möglichkeiten der viktorianischen Knöpfe vor; am Samstag präsentierte Sandra-Janine Müller neue Languetten-Facetten, und am Sonntag griff Trachtenberaterin Monika Hoede ihr Thema vom Vorjahr, das materialsparende Umlegen von Gimpe und Soutache wieder auf.

Blick die Kammel entlang zur Krumbacher St.-Michaels-Kirche
Konzentration und Genauigkeit waren an allen drei Kurstagen gefragt – hier beim Workshop „Viktorianische Knöpfe“. (Foto: Alexander Smit)

Tag 1: Viktorianische Knöpfe

Unter den Posamentenknöpfen aus Holzrohlingen und Garn nehmen die viktorianischen Knöpfe eine besondere Stellung ein. Sie schmückten beispielsweise aufwendige Kleider mit Krinolinen und Turnüren, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mode waren. Anders als bei den früheren „umsponnenen“ Posamentenknöpfen werden die Rohlinge normalerweise einfarbig mit Garnwicklungen bedeckt, über die dann ein Speichengerüst aus Garn, die sogenannte Tortenschnürung als Grundlage für kunstvolle Stickereien gespannt wird.

Folglich begannen wir unseren Streifzug durch die Welt der Knöpfe im viktorianischen Stil, indem wir Rohlinge mit Garnwicklungen oder Stoff überzogen. Außerdem hatte ich zu Hause schon Kugeln aus Merinowollvlies nassgefilzt, von denen wir kumpelförmige Segmente abschnitten und ebenfalls als Grundlage für viktorianische Stickereien verwendeten – historisch nicht korrekt, aber sehr praktisch, weil sich im Filz die Stiche beispielsweise für Umrandungen gut verankern und die Fadenenden unsichtbar verstehen lassen.

Angefangen bei Stern und Blüte, bei denen Rück- oder Stielstichrunden rund um die Knopfmitte gearbeitet und anschließend zusammengezogen werden, arbeiteten wir uns über den Schwälmer Hutknopf, bei dem dekorative schräge Stichgruppen das Zentrum säumen, bis zu Empire und Snowflake vor, deren raffinierte, spitzenartige Randborten sich auch für viele andere Knopfarten abwandeln lassen.

Viel Stoff für einen einzigen Tag! Umso mehr habe ich mich über das Interesse, die Geduld und die Bereitschaft der Kursteilnehmerinnen gefreut, sich auf diesen scharfen Ritt durch das Thema einzulassen, für das ich bei der Trachtenwerkwoche 2023 immerhin fast eine volle Woche Zeit gehabt hatte.

Die Ergebnisse sprechen für sich: Entstanden sind viele schöne Knöpfe, die nun hoffentlich zu vielen weiteren Stick-Ideen in der Tortenschnürung inspirieren.

Die Ergebnisse des Workshops „Viktorianische Knöpfe“

Tag 2: Neue Languetten-Facetten

Mit Languetten-Facetten, vor allem mit dem „Dresdener Seestern“, hatten wir uns schon bei den Knopfmachertagen 2023 beschäftigt. Diesmal brachte Sandra-Janine Müller weitere Bildbeispiele historischer Knöpfe aus Dresden mit.

Sandra-Janine Müller

Anders als beispielsweise der Krumbacher Westenknopf basieren sie nicht auf dem Glatten Knopf, sondern auf dem Sternknopf, wobei das Zentrum mal mit einem entzückenden Blümchen, mal mit einer oder mehreren Rückstichrunden und mal mit einer Blüte aus Spannstichen oder Gorl gestaltet wird.

Die Ergebnisse des Workshops „Neue Languetten-Facetten“ von Sandra-Janine Müller

Ich habe alle drei Beispiele in meiner Lieblingsfarbe Petrol als Basis und leuchtendem Apfelgrün als Kontrastfarbe für die Stickerei gestaltet. Und natürlich hat mich der Ehrgeiz gepackt, die Gorltechnik, die ich in der Woche zuvor im Kurs von Jürgen Sturma geübt hatte, beim besonders herausfordernden letzten Knopf des Tages anzuwenden. Wie beim Augsburger Knopf werden dabei nämlich nicht nur die Flächen zwischen den Sternzacken, sondern auch die Sternzacken selbst mit Languettenstichen überstickt. Die umwerfende Wirkung lohnt die Mühe beim Sticken aber auf jeden Fall. „Ein Augenpulver“ würde meine Mutter diese fitzelige Arbeit vermutlich nennen.

Meine Knöpfe sind unschwer an der Farbauswahl zu erkennen.

Tag 3: Umlegen und Auflegen

Am dritten und letzten der drei Knopfmachertage hat Monika Hoede unsere Köpfe und Finger zum Qualmen gebracht: Bei der Technik des Umlegens können verhältnismäßig dicke Materialien wie Gimpe oder Soutache materialsparend verarbeitet werden. Dabei wird der Gimpe- oder Soutachefaden nur ein kleines Stück über die Kante des Knopfrohlings zur Rückseite geführt, dort durch Umschlingen mit Nähgarn oder Zwirn gesichert und sofort wieder auf die Vorderseite gelegt. Auf diese Weise wird erstens kostbares Material gespart, und zweitens bleibt die Rückseite erfreulich flach, während sich bei der üblichen Wickeltechnik ein dicker Hügel auf der Unterseite des Rohlings auftürmen würde.

Trachtenberaterin Monika Hoede, die das Knopfthema seit gut zwanzig Jahren erforscht und weitervermittelt (Archivbild aus dem Jahr 2023)

Wir lernten, die Spule mit der Gimpe oder den Knäuel des dicken Garns so zu beschweren oder umzuleiten, dass der Faden unter Spannung stand, mit einer Hand den Rohling zu halten und mit der anderen den Nähfaden zu führen und um die Gimpe zu legen und den Knopf stets in der richtigen Richtung zu drehen – auch für geübte Knopfmacherinnen keine leichte Aufgabe. Mit einigem Training (und etwas Glück) gelangen uns dann saubere Grundgerüste auf der Vorderseite und zierliche Dreiecke auf der Rückseite.

Bei der Umlegetechnik – hier für einen Glatten Knopf – bildet der Arbeitsfaden saubere Dreiecke auf der Rückseite des Rohlings.

Diese Grundgerüste durften wir anschließend mit gewickelten, eingewebten oder aufgestickten Verzierungen aus andersfarbiger Gimpe oder Soutache ausgestalten.

Die Ergebnisse des Workshops „Um- und Auflegen“ von Monika Hoede

Ich hatte mich schon bei den Knopfmachertagen 2023 mit der Umlegetechnik beschäftigt, aber übers Jahr viel zu wenig geübt und deshalb das meiste wieder vergessen. Jetzt haben mir einige Hinweise von Monika geholfen, die Methode endlich zu verstehen:
– Gimpe unter Spannung halten.
– Nur den Rohling, nicht aber die Gimpe festhalten.
– Beim Umlegen den Rohling zum Körper her drehen.
– Den Rohling beim Umschlingen der Gimpe mit dem Nähfaden immer in die gleiche Richtung drehen.
Am Abend waren mir neben vier fertigen Knöpfen noch einige Grundgerüste gelungen, an denen ich weiterüben kann (und muss!). Schwierigkeiten bereitet mir noch das Wickeln eines Glatten Knopfes allein in Umlegetechnik: Da muss ich erst noch herausfinden, wo ich wohin abbiegen muss. Aber auch das wird irgendwann klappen.

Meine vier Knöpfe in Umlegetechnik: Alles Weitere muss die Übung bringen!

Das Fazit der Knopfmachertage mit drei Intensiv-Workshops lautet ebenso trivial wie zutreffend: Man lernt nie aus! Auch nach Jahren als Knopfmacherin begeistert es mich, außergewöhnliche Techniken von Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen, meine eigenen Erfahrungen weiterzugeben und mich mit anderen Knopfverrückten auszutauschen.

Der April war in dieser Hinsicht besonders ergiebig – und so freue ich mich schon jetzt auf die Trachtenwerkwoche und die Knopfmachertage 2025.

Stillleben aus dem Workshop „Viktorianische Knöpfe“ (Foto: Alexander Smit)

Ausblick auf die nächsten Wochen

Nach ein paar Urlaubstagen steht demnächst ein ganz besonderer Workshop im Knopfwerkstatt-Kalender: ein Junggesellinnenabschied, bei dem die Brautjungfern Knöpfe für das Brautkleid im Hobo-Stil anfertigen wollen. Ich bin sehr gespannt und freue mich drauf!

Ab Mai geht es dann wieder mit Märkten und Kursen weiter. Ich hoffe, wir treffen uns bei der einen oder anderen Gelegenheit!

Schaf- und Handarbeitstag
Pfingstmontag, 20. Mai 2024 (mit Knopfmacherei-Vorführung)
Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben, 88364 Wolfegg
bauernhaus-museum.de

Knopfwerkstatt: Viktorianische Posamentenknöpfe
Samstag–Sonntag, 25.–26. Mai 2024
Kunststätte Bossard, 21266 Jesteburg
bossard.de

Spitzen-Vielfalt 2024: HandwerksKunst ist Spitze
Samstag–Sonntag, 15.–16. Juni 2024 (Marktstand mit Schnupperkursen)
Tagunghaus Regina Pacis, 88299 Leutkirch
spitzengilde.de

Viktorianische Posamentenknöpfe
Samstag–Sonntag, 13.–14. Juli 2024
Wollwerk, 72525 Münsingen
wollwerk.shop

Knopfmachen: Zwirnknöpfe 🇨🇭
Donnerstag–Freitag, 18.–19. Juli 2024
Kurszentrum Ballenberg, CH-3858 Hofstetten bei Brienz
ballenbergkurse.ch

Knopfmachen: Posamentenknöpfe 🇨🇭
Samstag–Sonntag, 20.–21. Juli 2024
Kurszentrum Ballenberg, CH-3858 Hofstetten bei Brienz
ballenbergkurse.ch

Weitere Zwirn- und Posamentenknopfkurse im Ballenbergzentrum in der Schweiz sind für 17./18. Oktober (Zwirnknöpfe) und 19./20. Oktober (Posamentenknöpfe) geplant.
ballenbergkurse.ch

Im Gorl-Rausch

Verschiedene Posamentenknöpfe mit Gorl

11. April 2024

Hurra! Endlich habe ich meinen Endgegner unter den Posamentenknopftechniken bezwungen: den Gorl. Dabei handelt es sich um eine kordelartige Verzierung, die nicht etwa aufgenäht, sondern während der Arbeit am Knopf aus Garn gedreht wird – eine ziemlich knifflige Angelegenheit, aber das Ergebnis lohnt die Mühe reichlich.

Meine ersten beiden Gorlknöpfe habe ich 2016 fürs Knopfmacher-Zertifikat mehr schlecht als recht zusammengefriemelt und bin Monika Hoede, der Trachtenberaterin des Bezirks Schwaben, noch heute dankbar, dass sie diese eher stümperhaften Versuche akzeptiert hat. Es folgten einige weitere Versuche und etwas bessere Ergebnisse, aber so recht zufrieden war ich mit meinen Gorlknöpfen nie, und das fuchst mich jetzt seit Jahren.

Mit großem Interesse bestaune ich seit jeher in unserer Facebook-Gruppe „Knöpfe“ die Fotos, wann immer Jürgen Sturma, Trachtenspezialist und Stadtheimatpfleger in Minden/Westfalen, Beispiele seiner perfekten Repliken historischer Gorlknöpfe aus dem Minden-Schaumburger Land zeigt, von denen er schon mal 36 Stück für einen Mantel (plus ein paar Probeknöpfe vorab) anfertigt. Er hat die Gorltechnik über zwei Jahrzehnte hinweg perfektioniert und ist in meinen Augen der ungekrönte „King of Gorl“, auch wenn er selbst augenzwinkernd behauptet, „allenfalls Herzog“ zu sein. Als Monika Hoede vergangenes Jahr ankündigte, ihn als Referenten zur 7. Trachtenwerkwoche nach Babenhausen einzuladen, sah ich meine Chance gekommen, die leidige Wissenslücke endlich zu schließen.

Die Trachtenwerkwoche der Trachtenkultur-Beratung des Bezirks Schwaben findet traditionell in der Jugendbildungs- und Begegnungsstätte – kurz „Jubi“ – in Babenhausen statt.

So kam ich diesmal nicht wie in den vergangenen Jahren als Dozentin, sondern diesmal als wissbegierige Teilnehmerin in die Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Babenhausen und hatte neben meinen Holzrohlingen einen ganzen Korb voller Garne im Gepäck, die ich sonst selten verwende: Perlgarn Nr. 8, das ich üblicherweise für Bäumchenknöpfe einsetze, und dünne Baumwollhäkelgarne der Stärken 20 und 30. Außerdem mit dabei: ein Kästchen Birnenbleie mit Wirbel aus meinem Angelkoffer. Auf diese Weise kommt zumindest ein Teil meiner Angelausrüstung doch endlich auch wieder zum Einsatz, wenn ich mir schon allenfalls einen einzigen Tag am Wasser pro Jahr freischaufeln kann.

Jürgen Sturma in einer Weste mit zwei Reihen des kleinen Lindhorster Knopfes

Jürgen Sturma, der 600 km weit angereist war, kam jeden Tag in einer anderen exquisiten Weste mit aufwendigen Knöpfen in den Kursraum und hatte weitere ungewöhnliche Werkzeuge mitgebracht: Zahnsonden. Sie ersetzen bei ihm die geflochtene Kordel, die Knopfmacher einst auf der Rückseite des Knopfes angenäht haben, um damit den Knopf zu drehen, sodass sich der Gorlfaden gleichmäßig um den Arbeitsfaden, die „Seele“, legt. Das Bleigewicht auf dem Gorlfaden verhindert dabei, dass das Garn zu schnell und ohne Widerstand abläuft. Wie schwer es sein musste, fand ich durch Experimentieren mit verschiedenen Gewichten heraus und landete schließlich bei einem kleinen Blei von weniger als zehn Gramm.

Zahnsonde und Angelblei als Hilfsmittel beim Gorldrehen

Wir sieben Teilnehmerinnen hatten anfangs unsere liebe Mühe, die Sonde immer an ihrem Platz zu halten und mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand die Wicklungen sauber zusammenzuschieben, aber mit der Zeit lernten wir das Hilfsmittel schätzen. Alle Knöpfe, mit denen wir uns im Laufe der Woche beschäftigten, basieren auf dem klassischen Sternknopf, unterscheiden sich aber in der Art der Hilfsstrukturen, an denen die Gorlstege fixiert werden.

Isenstedter Knöpfe

Bei unserem ersten Übungsprojekt, dem Isenstedter Knopf mit einer relativ bescheidenen Gorlverzierung, gerieten viele Gorlstrecken noch krumm und schief, aber nach und nach fand jede von uns zu ihrem Arbeitsrhythmus, zum richtigen Abstand zwischen dem Garnknäuel, den wir in einer Schale tanzen ließen, und zum (mehr oder weniger) perfekten Winkel zwischen Arbeits- und Gorlfaden.

Dass ausgerechnet die altvertraute Umrandung mit Languettenstichen mich vor neue Probleme stellen würde, hatte ich nicht erwartet: Jürgen Sturma arbeitet eine erste Runde aus sehr dichten Languettenstichen um den Hilfsfaden, sticht in der zweiten Runde nur noch in jede zweite Schlinge ein und zieht die Umrandung anschließend bereits auf die Rückseite, wo er sie in einer selbst entwickelten Methode dekorativ und fest annäht. Bei seinen Knöpfen sieht das großartig aus, bei meinen wirkte die Umrandung löchrig wie ein altes Fischernetz, sodass ich zu meiner langwierigeren Methode mehrerer Languettenrunden zurückkehrte.

Jürgen Sturma bei der Arbeit: Gerade bei Schwarz in Schwarz gestalteten Knöpfen ist eine beleuchtete Lupe von großem Nutzen.

Die Herausforderungen im Kurs nahmen von Tag zu Tag zu: Beim Friller Knopf galt es zum Beispiel, statt der doppelten Gorlstege beim Isenstedter nun kleine Rosen oder Bäckchen aus vier kurzen Gorlstrecken zu arbeiten, an denen ich bisher immer gescheitert war. Nun gelangen mir die Röschen fast mühelos, sodass ich vor lauter Begeisterung gleich mehrere Friller nacheinander produzierte.

Friller Knöpfe (beim schwarzen Knopf rechts oben fehlt noch die Einfassung)

Den Lindhorster Knopf gibt es gleich zweimal: in einer kleinen und einer großen Variante, beide ohne Einfassung, aber mit besonders üppiger Gorlverzierung. Beim kleinen Lindhorster mit seinem doppelten Stern aus Gorlstegen und über die Kante herabgezogenen Spitzen besteht die größte Schwierigkeit darin, die richtige Reihenfolge beim Gorlen einzuhalten, ähnlich wie beim berühmten „Haus vom Nikolaus“, bei dem man ja auch nicht erst die komplette Außenkontur schließen darf, weil man sonst die Linien im Inneren nicht mehr in einem Zug zeichnen kann. Manchmal mussten wir ein bisschen schummeln, aber am Ende hatten wir alle den Bogen raus. Außerdem waren wir geradezu zum Naschen von Schoko-Ostereiern gezwungen, um Material für die glitzernden Folienspiegel im Zentrum zu gewinnen.

Kleine Lindhorster Knöpfe, zum Teil mit Folienspiegel in der Mitte

Den großen Lindhorster Rockknopf hatte Jürgen Sturma für den krönenden Abschluss vorgesehen. Hätten wir in seinem Handout gleich am Anfang bis dorthin weitergeblättert, wäre uns vermutlich angesichts dreireihiger Gorlstege schwindlig geworden. Doch nach einigen Tagen Übung erschien uns die Aufgabe lösbar. Lediglich die Wickelstiche um die Hilfsstruktur-Fäden im Zentrum waren ein wenig kompliziert, weil sich die Fäden ständig übereinanderschoben. Schließlich gelangen uns einige recht ansehnliche Exemplare. Hier seht ihr meine beiden Werkstücke:

Große Lindhorster Rockknöpfe

Am Ende der Woche hatte ich mein Gorl-Trauma definitiv überwunden und mich in einen regelrechten Rausch gegorlt, sodass ich mir noch vor dem Feierabendbier am letzten Abend eine besondere Aufgabe stellte: Weil mir Jürgens elegante, rein schwarze Gorlknöpfe besonders gut gefallen, fertigte ich je einen Isenstedter und einen Friller aus Seiden- und Baumwollgarn in Schwarz an. Den Rest muss die Übung bringen!

Bei der abschließenden Werkschau am Sonntagvormittag trug jede von uns Kursteilnehmerinnen gleich mehrere gelungene Gorlknöpfe zu unserer gemeinsamen Präsentation bei, die Jürgen durch seine Exponate ergänzte. Er beantwortete auch mehr als eine Stunde lang alle Fragen aus den anderen Kursen zur Knopfmacherei im Allgemeinen und zur Gorltechnik und den Knöpfen aus dem Minden-Schaumburger Land im Besonderen.

Selbstverständlich wurde während der Trachtenwerkwoche nicht ausschließlich in den Werkgruppen gearbeitet, die bei Gertrud Agricola-Straßer Mieder, bei Margit Hummel Röhrlhosen oder einen schmalen Rock und bei Ute Palmer-Wagner Gollerblusen und geknöpfte Oberteile nähten. Zwischendurch hatten wir die Gelegenheit, zusammen mit Thea Baur Stoffe oder fertige Tischdecken mit wunderschönen alten Modeln zu bedrucken.

Dieses Rosenmuster ziert jetzt eine Mitteldecke für unseren Gartentisch.
Ein schöner Streifenschal aus Halbleinen bekam durch die Rankenborte eine verspielte Note.

Am Schnuppernachmittag entschied ich mich unter verschiedenen Angeboten für den Rüschenkurs bei Gertrud Agricola-Straßer, wo ich endlich die Rosenrüsche, die Dachrüsche und – mit mäßigem Erfolg – die Herzrüsche in der Praxis kennenlernte, die mir beim Lektorat des Rüschenbuches der Trachtenkultur-Beratung bereits begegnet waren. Währenddessen wickelte Jürgen mit seiner Schnuppertruppe Pfeilspitzenknöpfe und Knöpfe auf sternförmigen Rohlingen.

Wenn die Falten eingelegt und gesteckt sind, wird die Rosenrüsche mittig mit der Nähmaschine abgesteppt.
Anschließend werden die Röschen einzeln von Hand genäht.
Die Kreisheimatstube Stoffenried
Weiher und Kirche in Stoffenried

Ein abendlicher Ausflug führte uns nach Stoffenried, wo Kreisheimatpflegerin Bärbel Mettenleiter-Strobel uns durch die Museumsgebäude der Kreisheimatstube führte und uns unterhaltsam und kundig allerlei über die einstigen Lebensverhältnisse auf dem Lande erzählte. Vor der Rückfahrt nach Babenhausen durften wir dann noch das hausgebraute Bier probieren.

Das Vergissmeinnicht soll mich daran erinnern, die Technik des Gorlens zu üben und nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Die Tage nach der Trachtenwerkwoche sind im Flug vergangen, denn in meinem Redaktionsbüro war über die Kurstage einiges an Arbeit liegen geblieben, und am kommenden Wochenende steht schon das nächste Knopf-Event an: die Knopfmachertage der Trachtenkultur-Beratung des Bezirks Schwaben im Landauer-Haus in Krumbach, bei denen ich einen Tag lang Sticktechniken für Knöpfe im viktorianischen Stil zeigen darf. An den beiden anderen Tagen freue ich mich darauf, von Sandra-Janine Müller und Monika Hoede zu lernen.

Eine Überraschung gab es am Montag: Durch den Anruf einer Frau aus Niederbayern erfuhr ich, dass das Bayerische Fernsehen am Nachmittag in „Wir in Bayern“ die „Homestory“ aus der Knopfwerkstatt wiederholt hatte, die Julia Seidl vor zwei Jahren in Violau gedreht hat. Wer den Beitrag damals versäumt hat oder noch einmal sehen will, hat jetzt hier in der Mediathek die Gelegenheit dazu (ca. ab Minute 31:30):

„Wir in Bayern“, Sendung von Montag, 8. April 2024

Neue Kurse und Markttermine

Noch bevor das Jahr 2024 begonnen hat, stehen schon einige Termine im Kalender der Knopfwerkstatt. Merkt sie euch vor und meldet euch möglichst frühzeitig an, damit die Veranstaltenden planen können. Den Link zum Anklicken findet ihr direkt unter dem jeweiligen Termin. Ich freue mich schon jetzt aufs Kennenlernen bzw. aufs Wiedersehen!

Knopfmacherei: Mandala-Malen mit Garn
Samstag–Sonntag, 20.–21. Januar 2024
VHS am Münsterplatz, 73525 Schwäbisch Gmünd
gmuender-vhs.de

Zwirnknopf als Rahmung: Kurs am Samstag, 27. Januar 2024, im Museum KulturLand Ries, Maihingen

Zwirnknopf als Rahmung – Souvenirs, Souvenirs …
Samstag, 27. Januar 2024
Museum KulturLand Ries, 86747 Maihingen
mklr.bezirk-schwaben.de

Der Zwirnknopf macht Karriere
Montag–Dienstag, 5.–6. Februar 2024
Wollknoll, 74420 Oberrot
wollknoll.de

Viktorianische Posamentenknöpfe
Mittwoch–Freitag, 7.–9. Februar 2024
Wollknoll, 74420 Oberrot
wollknoll.de

Wie Posamentenknöpfe in viktorianischer Tradition bezogen und kunstvoll bestickt werden, ist Thema bei verschiedenen Kursen im Jahr 2024.

Viktorianische Knöpfe – Best of …
(Schwälmer Hutknopf, Snowflake, Rohlinge mit Stoff beziehen)
Workshop im Rahmen der Knopfmachertage 
der Trachtenkultur-Beratung des Bezirks Schwaben (12.–14. April 2014)

Freitag, 12. April 2024, 10–17 Uhr
Trachtenkultur-Beratung, 86381 Krumbach
trachten.bezirk-schwaben.de

Schaf- und Handarbeitstag
Pfingstmontag, 20. Mai 2024 (mit Vorführung des Knopfmacherhandwerks)
Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben, 88364 Wolfegg
bauernhaus-museum.de

Am Wochenende 25./26. Mai bin ich hoch im Norden: in der Kunststätte Bossard in Jesteburg.

Knopfwerkstatt: Viktorianische Posamentenknöpfe
Samstag–Sonntag, 25.–26. Mai 2024
Kunststätte Bossard, 21266 Jesteburg
bossard.de

Knopfwerkstatt (2 Kurse)
Posamenten- und Zwirnknöpfe (Programm wird auf die Teilnehmenden abgestimmt)
1. Kurs (Einsteiger): Mittwoch–Freitag, 5.–7. Juni 2024
2. Kurs (Fortgeschrittene): Freitag–Sonntag, 7.–9. Juni 2024
Volkshochschule im Franziskanerkloster, 89584 Ehingen/Donau
Anmeldung bei Waltraud Steeb, E-Mail w.steeb@gmx.de

Spitzen-Vielfalt 2024: HandwerksKunst ist Spitze
Samstag–Sonntag, 15.–16. Juni 2024 (Marktstand mit Vorführung)
Tagungshaus Regina Pacis, 88299 Leutkirch
spitzengilde.de

Viktorianische Posamentenknöpfe: Kurs im Wollwerk Münsingen am 13./14. Juli 2024

Viktorianische Posamentenknöpfe
Samstag–Sonntag, 13.–14. Juli 2024
Wollwerk, 72525 Münsingen
wollwerk.shop

Knopfmachen: Zwirnknöpfe 🇨🇭
Donnerstag–Freitag, 18.–19. Juli 2024
Kurszentrum Ballenberg, CH-3858 Hofstetten bei Brienz
ballenbergkurse.ch

Knopfmachen: Posamentenknöpfe 🇨🇭
Samstag–Sonntag, 20.–21. Juli 2024
Kurszentrum Ballenberg, CH-3858 Hofstetten bei Brienz
ballenbergkurse.ch

Knopfmachen: Zwirnknöpfe 🇨🇭
Donnerstag–Freitag, 17.–18. Oktober 2024
Kurszentrum Ballenberg, CH-3858 Hofstetten bei Brienz
ballenbergkurse.ch

Knopfmachen: Posamentenknöpfe 🇨🇭
Samstag–Sonntag, 19.–20. Oktober 2024
Kurszentrum Ballenberg, CH-3858 Hofstetten bei Brienz
ballenbergkurse.ch

Stand: Januar 2024


Allerlei Herausforderungen

Im Mai waren für die #buttonchallenge2023 Pastelltöne gefordert.

Eigentlich möchte man meinen, das Leben einer Knopfmacherin sei recht beschaulich: Sie macht es sich bei einer Tasse Tee oder Kaffee im Schatten auf der Terrasse gemütlich, wickelt, webt und lauscht dabei einem Hörbuch, oder sie sitzt bei Prosecco oder Aperol Spritz in einer fröhlichen Runde, die gemeinsam neue Muster erkundet.

So ist das tatsächlich bisweilen, allerdings bei weitem nicht immer (vor allem, wenn die Knopfmacherin noch einen zweiten Beruf als Redakteurin hat). Und damit das Knopfmacherinnen-Dasein nicht allzu beschaulich wird, stellen wir uns immer wieder kleinen oder größeren Herausforderungen.

Die erste Knopf-Challenge: mein Projekt „One Button a Day“ im Jahr 2015

Angefangen hat alles 2015 mit meinem Projekt „One Button a Day“. Damals hatte ich gerade das berühmte „graue Buch“ (Monika Hoede et alii, Posamentenknöpfe, Augsburg 2014) lektoriert und war bereits mit dem Knopfvirus infiziert. Um einen Ausgleich zur Redaktionsarbeit am Computer zu schaffen, habe ich mir die Aufgabe gestellt, ein Jahr lang jeden Tag einen Knopf anzufertigen und – um die Herausforderung auch wirklich ernst zu nehmen – auf Facebook zu posten. Mit großer Resonanz habe ich damals nicht gerechnet, allenfalls gehofft, dass ein paar wohlmeinende Freundinnen mein Vorhaben mit erhobenen Däumchen unterstützen würden.

Erinnert sich noch jemand an die Diskussion um den Grexit? Ihm habe ich 2015 einen Knopf des Tages gewidmet.

Oft habe ich für meinen Knopf des Tages ein aktuelles Ereignis gewählt – manchmal von öffentlichem, manchmal von privatem Interesse. So habe ich zum Beispiel der Diskussion um den Grexit (ach, das waren noch Zeiten!), dem Valentinstag oder dem Geburtstag von Freunden Knöpfe gewidmet. Tatsächlich habe ich das ganze Jahr durchgehalten und schon nach wenigen Wochen über das Echo auf Facebook gestaunt. Wenn ich bis zum späten Abend noch kein Foto gepostet hatte, kamen schon mal Nachfragen von mir (damals noch) fremden Menschen, die sich besorgt erkundigten, ob alles in Ordnung sei.

Zu meiner eigenen Überraschung war „One Button a Day“ auch ein Thema für die Medien: Die Augsburger Allgemeine brachte einen großen Beitrag über das Projekt, die (inzwischen leider eingestellte) Zeitschrift „Handmade Kultur“ veröffentlichte eine dreiseitige Strecke, und der Bayerische Rundfunk berichtete in einer einstündigen Musiksendung darüber.

Auch auf Reisen habe ich jeden Tag einen Knopf gestaltet. Dieses Goldstück entstand aus Material, das ich beim Kroatienurlaub in einem Handarbeitsgeschäft in Trogir entdeckt hatte.

Als das Jahr zu Ende ging, trauerten einige Fans des Projekts dem täglichen Knopf nach. Zum Glück übernahm meine großartige Kollegin Gina Barrett aus England die Idee und startete 2016 mit „One Button a Day“. (Inzwischen hat sie sogar schon ein zweites Jahr angehängt.)

Seither sind einige weitere Knopf-Herausforderungen entstanden:

In der deutschsprachigen Facebook-Gruppe Knöpfe, in der seit Jahren mehr als 400 Knopfbegeisterte ihre Werke zeigen und einander bei Fragen zu Knopfthemen unterstützen, hat Karin Gössl 2021 Themen wie „Zwirnknöpfe mit Kronkorken“, „Advent in Rot-Grün“ oder „Herzen und Blumen“ genannt und aus den dazu eingesandten Fotos einen Wochenkalender für 2022 gestaltet.

„Chocolate“ lautete eines der Themen in Gina Barretts Challenge „One Button a Week“ im Jahr 2022. Mir ist dazu ein Schoko-Muffin mit Karamellguss eingefallen.

Gina Barrett hat in ihrer Facebook-Gruppe Gina B. Silkworks Group 2022 zur #52buttonschallenge eingeladen, für die sie jede Woche ein Thema genannt hat. In diesem Jahr zieht Gina jeden Monat aus ihrer persönlichen Lostrommel zwei Begriffe als Inspiration für Knöpfe (oder andere textile Kunstwerke).

Ausnahmsweise mal kein Knopf: Zum Begriffspaar „red | creature“ in Gina Barretts Textilkunst-Projekt 2023 habe ich mein Kreuzstich-Stachelschwein nach einer frühbarocken Vorlage fotografiert. (Vorlage aus Irmgard Gierl, Stick- und Webmuster des Frühbarock, Rosenheim 1983, Seite 63)

Zum Januar-Begriffspaar „red | creature“ ist mir ein Stachelschwein in Kreuzstich wieder eingefallen, das ich nach einer frühbarocken Vorlage gestickt habe. Aber meistens beteilige ich mich doch mit Knöpfen an der Challenge #monthlymake2023, im Mai beispielsweise mit einem Bäumchenknopf zum Thema „cute | multicolour“. Wer Lust hat, auch dabei zu sein, kann jederzeit einsteigen. Aktuell lautet das Begriffspaar „blue | plant“.

Niedlich und mehrfarbig: Ich finde das Bäumchen passt ganz gut zum Mai-Thema „cute | multicolour“.

Aber auch in der oben schon erwähnten deutschsprachigen Gruppe Knöpfe auf Facebook gibt es in diesem Jahr eine Herausforderung, die Eveline Groß aus Österreich ins Leben gerufen hat: Sie nennt jeden Monat eine Farbkombination, in der beliebige Knöpfe gestaltet werden können. Für Menschen wie mich, die sich sehr gern in einem Farbkosmos (bei mir bekanntlich Blaugrün-Petrol-Mint-Türkis) bewegen, ist das die perfekte Gelegenheit, aus dem eigenen Farbtopf herauszukrabbeln und sich ganz bewusst auf neue Farben einzulassen. Im Eingangsfoto zu diesem Beitrag seht ihr beispielsweise meine Kollektion in Pastelltönen für den Monat Mai und unten die grau-gelben Knöpfe für April.

Grau und Gelb waren die Farben, die Eveline Groß im April für die Challenge #colourofthemonth aufgerufen hat.

Zugegeben: Manchmal bin ich mit meinen Beiträgen ziemlich spät dran, aber ich versuche immer, eine Werk zu Gina Barretts Projekt beizusteuern, und arbeite oft die Beispielknöpfe, an denen ich in Kursen die Techniken erkläre, in Evelines Farben des Monats.

Aktuell hänge ich auch ein bisschen hinterher, obwohl im Juni Petrol und Orange an der Reihe sind und ich folglich meiner Blaugrün-Leidenschaft frönen könnte. Viel habe ich noch nicht geschafft, aber ich werde auf jeden Fall noch den einen oder anderen Knopf gestalten.

Petrol und Orange sind die Farben des Monats Juni. Diesen Glatten Knopf habe ich mit den wundervoll lebendig pflanzengefärbten Garnen von Britta Schmidthüsen (Living Colours) gestaltet.

Immerhin ist mir ein Glatter Knopf mit den wundervollen pflanzengefärbten Garnen von Britta Schmidthüsen gelungen, die neulich in meinem Kurs an der VHS Ehingen dabei war. Ihr Firmenname Living Colours ist Programm: Die Farben kommen herrlich lebendig raus.

Ansonsten stecke ich gerade in einem spannenden Projekt, für das ich noch mehr als hundert Knöpfe anfertigen darf: auch das eine echte Herausforderung, die ich gerne annehme. Hier ein Arbeitsfoto – mehr dazu gibt’s in einem der nächsten Blog-Einträge.

Die ersten von mehr als hundert Knöpfen für ein spannendes Projekt.

Viktorianische Variationen

Eine spannende und ereignisreiche Trachtenwerkwoche liegt hinter mir und wird sicher noch eine ganze Weile nachklingen. Nachdem ich im vergangenen Jahr einer Gruppe die Grundlagen der Posamenten- und Zwirnknopfmacherei beibringen durfte, hatte sich Monika Hoede, die Trachtenberaterin des Bezirks Schwaben, diesmal ein ganz besonderes Thema gewünscht: Posamentenknöpfe im viktorianischen Stil, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mode waren. (Einige Originale kann man online an Kostümen aus dem Fundus des Metropolitan Museum of Art, New York, bewundern.)

Blüte und Stern, Empire, Snowflake und Pinwheel: Die Posamentenknöpfe im viktorianischen Stil waren Thema meines fünftägigen Workshops bei der Trachtenwerkwoche.

Bei dieser Art textiler Knöpfe wird über einem mit Stoff oder Garn bezogenen Rohling ein speichenartiges Grundgerüst aus Fäden, die sogenannte Tortenschnürung, gespannt und kunstvoll bestickt. Je nach Art der Stickerei entstehen Blüte oder Stern, Empire, Snowflake oder Pinwheel, wie die englische Knopfmacherin Gina Barrett die unterschiedlichen Muster in ihrem Buch Buttons – A Passementerie Workshop Manual (Lincolnshire 2013) nennt. Sie hat übrigens eine ganze Reihe interessanter Originale auf Pinterest zusammengetragen.

Über viele Wochen hinweg habe ich mich in dieses interessante Thema vertieft, Musterknöpfe angefertigt, Schritt-für-Schritt-Fotos aufgenommen, Anleitungsblätter und eine Powerpoint-Präsentation erarbeitet und war dann ziemlich enttäuscht, dass der Kurs im Februar wegen geringer Anmeldezahlen auf der Kippe stand. Umso schöner, dass schließlich ein knopfbegeistertes Quartett zusammenkam, das mit mir die Möglichkeiten der historischen Techniken erkundete.

Mit Stoff oder Garn bezogene Holzrohlinge dienen als Grundlage für viktorianische Knöpfe. Nicht historisch korrekt, aber interessant zu bearbeiten sind außerdem Abschnitte von Filzkugeln.

Womöglich wähnte sich meine Gruppe gleich zu Beginn auf dem falschen Dampfer, denn statt Holzrohlingen und Garn gab es erst einmal Vlies- und Kammzugwolle, warmes Wasser in Schüsseln, Seife, Handtücher und genoppte Silikontopflappen. Wir filzten tischtennisballgroße Kugeln, aus denen wir später kuppelförmige Rohlinge schneiden wollten. Und weil die Filzkugeln einige Tage zum Trocknen brauchen, mussten wir sie möglichst früh herstellen.

Anschließend umwickelten wir Holzrohlinge mit Baumwollsticktwist oder überzogen sie mit Stoff. Was für ein Glück, dass in den anderen Workshops genäht wurde! So bekamen wir zusätzlich zu den von mir mitgebrachten Patchworkstoffen wundervolle Reste von Jacquardgeweben, Seiden-, Samt- und sogar Tweedstoffen, mit denen wir experimentieren konnten. Da wurden winzige Rohlinge mit feiner Seide umhüllt und Kreise aus grobem Tweed um Holzkuppeln mit 5 cm Durchmesser gespannt. Jedes neue Stückchen Stoff, das aus einem der anderen Räume in unsere Knopfwerkstatt wanderte, inspirierte uns, sodass am Ende jede und jeder von uns mindestens ein halbes Dutzend vorbereitete Rohlinge vor sich liegen hatte.

Work in progress: Hier entstehen Blütenknöpfe im viktorianischen Stil – und jeder wirkt anders.

An Blüte und Stern erkundeten wir tags darauf die unterschiedliche Wirkung von Rückstichen und Stielstichen in Runden, widmeten uns an den folgenden Tagen der dekorativen Randgestaltung am Empire- und Snowflake-Knopf und schlossen schließlich mit dem Windrad- oder Pinwheel-Knopf ab, bei dem durch geschicktes Sticken ein spitzenartiges Muster auf der Grundlage aus Stoff oder Garn entsteht. Besonders gefreut und beeindruckt haben mich dabei die Fantasie und die Kreativität, mit der die drei Frauen und der Mann in meinem Kurs Stiche und Gestaltungsmöglichkeiten kombinierten oder neue Varianten erfanden. Als wir die Ergebnisse der Kurswoche für das Abschlussfoto arrangierten, staunten wir selbst über die Vielfalt an unterschiedlichen Knöpfen.

Kaum zu glauben, dass eine der Teilnehmerinnen sich noch nie zuvor mit dem Thema Posamentenknöpfe beschäftigt hatte! Ihr gelangen von Anfang an ebenso schöne und kunstvolle Werke wie allen anderen, und in einer Pause holte sie mal eben mit mir die Grundlagen für Sternknopf und Glatten Knopf nach. Chapeau!

Wie schon im vergangenen Jahr war es wunderbar, ein Thema über mehrere Tage hinweg zu entwickeln und dabei – anders als bei Tages- oder Abendkursen – auch die Muße für eigene Gestaltungsvarianten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu haben. Ein großer Luxus, den ich sehr zu schätzen weiß!

Einige Dutzend fantasievoll gestalteter Knöpfe im viktorianischen Stil kamen in der Trachtenwerkwoche zusammen – und zusätzlich einige Harlekinknöpfe aus den Schnupperkursen.

Immer wieder wurden wir durch zusätzliche Angebote aus unseren Workshop-Räumen gelockt, zum Beispiel bei der Stoff- und Garn-Tauschbörse, bei der allerlei Schätze aus den Schränken und Nähstuben der Teilnehmerinnen ans Licht kamen: altes Leinen, Zählstoffe und Stickbänder aus einem aufgelassenen Handarbeitsladen, überzählige Strickgarnknäuel, Bänder, Borten, Knöpfe, historische Nadelmäppchen und Skurrilitäten wie alte Bügeleisen, die sich hervorragend als Gewichte beim Nähen eignen, und eine Pelzstola aus Urgroßmutters Zeiten. Gut eine Stunde lang wurde gesichtet, getauscht und gefeilscht, bis viele der Raritäten eine neue Besitzerin gefunden hatten.

Stoffe, Bänder, Borten, Garne und allerlei Skurriles wie diese historischen Bügeleisen wechselten bei der Tauschbörse die Besitzerinnen.

Am Donnerstagnachmittag und -abend hatten die Teilnehmerinnen aller Workshops die Gelegenheit, in andere Bereiche hineinzuschnuppern. Bei Maria Tyroller wurden Ringtaschen als edle Alternative zur Plastiktüte geschneidert, Monika Hoede zeigte, wie dekorative Schachteln aus Graupappe nach Vorbildern aus dem 19. Jahrhundert genäht werden, Ute Palmer-Wagner erklärte das Sticken von sogenannten Flohfenstern, und ich lud zum Gestalten von Harlekinknöpfen ein.

Harlekinknöpfe, mal knallbunt, mal dezent Ton in Ton, wurden in den beiden Schnupperkursen gewickelt und gewebt.

Zehn Teilnehmerinnen in zwei Gruppen ließen sich auf das Knopf-Abenteuer ein und kreierten sechseckige Knöpfe mit Rhombenmuster – manche in den typischen Harlekinfarben Gelb, Rot, Blau und Grün oder anderen stark kontrastierenden Farbkombinationen, manche in Blau- und Grüntönen mit leuchtend kontrastierenden Rasterlinien in Orange oder zurückhaltend Ton in Ton.

Ein abendlicher Ausflug führte uns alle ins rund 15 Kilometer entfernte Krumbach zum Landauer-Haus, dem Sitz der Trachtenkultur-Beratung des Bezirks Schwaben. Dort informierte uns der Historiker Alexander Smit, wissenschaftlicher Volontär der Einrichtung, über die Geschichte des traditionsreichen Hauses, das einst der Familie jüdischer Geschäftsleute gehört hatte, und führte durch die Knopfausstellung mit historischen Originalen und modernen Interpretationen der alten Knöpfe .

Der Historiker Alexander Smit, wissenschaftlicher Volontär der Trachtenkultur-Beratung, führte die Teilnehmerinnen der Trachtenwerkwoche durch die Räume des Landauer-Hauses und zeigte unter anderem die dort ausgestellten Mustertrachten.
Der Knopftisch verbindet meine beiden Berufe: Der alte Setzkasten aus einer Druckerei steht für das Redaktionsbüro, die Knöpfe darin kommen aus der Knopfwerkstatt. Foto: Georg Drexel

Dort gab es auch ein Wiedersehen mit meinem Knopftisch, der schon einige Jahre mit der Ausstellung gewandert ist und nun dauerhaft seinen Platz bei der Trachtenkultur-Beratung gefunden hat, was mich sehr freut.

1 Kugel = 2 viktorianische Knöpfe: Die Filzkugel habe ich wie zwei halbkugelförmige Filzrohlinge mit Blütenmotiven und Snowflake-Borte bestickt.

Während des anschließenden Gedankenaustauschs bei Getränken und Gebäck habe ich eine Idee umgesetzt, die mir am Nachmittag durch den Kopf geschossen war: Wenn man zwei Filzhalbkugeln als Knopfrohlinge verwenden kann, müsste doch eine vollständige Kugel ebenfalls mit einer Tortenschnürung versehen und im viktorianischen Stil bestickt werden können. Also verpasste ich einer Kugel einen provisorischen „Äquator“ aus Garn, überspannte sie mit einer Tortenschnürung und stickte erst zwei Snowflake-Borten ober- und unterhalb der Äquatorlinie und anschließend je eine doppelte Blüte auf die Pole – einmal im Rück- und einmal im Stielstich, bevor ich den Hilfsfaden für den „Äquator“ wieder entfernte. Das Ergebnis ermutigt mich, an diesem Experiment weiterzuarbeiten.

Auch ein anderes Projekt reizt mich schon lange: das sogenannte Strunz- oder Schnorrtäschchen, wie es Monika Hoede schon vor Jahren für unser gemeinsames (und inzwischen leider längst vergriffenes) Buch „Die ganze Welt der Knöpfe“ angefertigt und beschrieben hat. Sie schreibt dazu: „Strunztäschchen dienen als zusätzliche Tasche zur Eingrifftasche im Rock. Die Strunztäschchen wurden unter der Schürze umgebunden; ihre individuelle Schönheit verbarg sich also im Alltag. […] Ein Strunztäschchen mag Taschentücher, Geld und kleine Habseligkeiten enthalten; für den Kirchgang Klingelbeutelgeld und ein Sträußchen zum Dran-Riechen und Wachhalten; für den Besuch bei der Freundin ein Strickzeug als Ausrede, damit man nicht dem Müßiggang verfiel. Die mir aus Hessen und Franken bekannten Taschen kenne ich als Schnorrtaschen; das steht für Müßiggang und hat nichts mit dem Schnorren im Sinne von Betteln […] zu tun.“

Dieses Strunztäschchen hat Monika Hoede aus einer Stickerei von Trudel Hoede angefertigt.

Inzwischen gestaltet Monika Hoede gern als Erinnerung an eine bestimmte Zeit Strunztäschchen, die sie mit allerlei Elementen aus eben dieser Lebensphase versieht. Die Tasche, die während der Trachtenwerkwoche in Babenhausen entstand, ist unter anderem mit Schneckenknöpfen von den Knopfmachertagen vor einigen Wochen und mit einem bunten Harlekinknopf verziert.

Dieses reich mit Bändern, Borten, Quasten und Knöpfen verzierte Strunztäschchen erinnert Monika Hoede an das Frühjahr 2023.

Die Idee fasziniert mich. Und weil ich während der Trachtenwerkwoche einige Stoffreste in hinreißenden Blaugrüntönen geschenkt bekommen oder gegen Knöpfe eingetauscht habe, liegt das Material für mein Strunztäschchen schon bereit. Jetzt fehlt nur noch die Zeit.

Aus diesen zauberhaften Stoffen könnte mein Strunztäschchen entstehen.

Apropos Zeit: Auch wenn am Beginn der Trachtenwerkwoche der Abschied in weiter Ferne zu liegen schien, verflogen die Tage im Nu. Trotzdem habe ich in einer Mittagspause einen kleinen Spaziergang ins Städtchen geschafft und die sehr sehenswerte Pfarrkirche St. Andreas mit einem ungewöhnlichen Kreuzweg-Treppenhaus besucht.

Das Fuggerschloss und die Pfarrkirche St. Andreas prägen die Innenstadt von Babenhausen.

Bei einem gemeinsamen Frühstück im Café Rosa haben wir einander schließlich am Sonntagvormittag gegenseitig die Werke der Woche präsentiert und endlich auch die Spenzer, Röcke und Leibchen als Ganzes gesehen, mit deren Stoffresten wir unsere Knopfrohlinge überzogen hatten. An manch einem der Modelle hat zu unserer Freude auch einer der viktorianischen Knöpfe Platz gefunden.

Bevor wir alle die Heimreise antraten, hat Monika Hoede uns verraten, dass die Planung für die nächste Trachtenwerkwoche schon läuft: Sie wird wieder mit mehreren Workshops in der Woche nach Ostern vom 2. bis zum 7. April 2024 stattfinden. Es lohnt sich, die Tage schon jetzt im neuen Kalender zu blocken und im Urlaubskalender einzutragen!

Mit einem üppigen Frühstück im Café Rosa endete die Trachtenwerkwoche am Sonntag.

Rückschau und Ausblick

Zu diesem Weihnachtsknopf hat mich ein Vorbild der japanischen Knopfmacherin Minako Ono inspiriert.

Kaum zu glauben, dass dieses Jahr schon zu Ende ist! Im Wohnzimmer steht der Weihnachtsbaum und wartet darauf, geschmückt zu werden – bei uns traditionell mit Glasornamenten in den skurrilsten Formen vom Hamburger bis zum Hummer. Das beantwortet auch Emma Thompsons erstaunte Frage in dem Film „Tatsächlich Liebe“: „Bei Jesu Geburt waren Hummer anwesend?“ Was unseren Christbaum angeht, ja!

Kennt ihr den Brauch des Christbaumlobens? Hier im Zusamtal stattet man in der Weihnachtszeit Nachbarn und Freunden einen Besuch ab, um den jeweiligen Christbaum zu besichtigen, nach einer im Grün versteckten gläsernen Gurke zu fahnden und sowohl das Gesamtbild als auch die Details ausgiebig zu würdigen. Das Urteil über unseren Baum fällt dabei je nach ästhetischer Prägung ganz unterschiedlich aus. Während viele sich über Sardinendose, Roquefort-Ecke, Leuchtturm, Faultier und Arche Noah aus feinstem Glas begeistern, müssen Puristinnen und Fans klassischer Bäume mit nichts als roten Kugeln, Strohsternen und Wachskerzen oder Gäste der Teams „Weiß & Silber“ oder „Ganz in Pink“ sich unseren Baum schöntrinken. Denn eins steht fest: Egal, ob man den Baum großartig oder grässlich findet – man erhebt gemeinsam ein Stamperl Schnaps auf ihn.

Egal, ob man unsere Sammlung skurriler Glasanhänger schön oder scheußlich findet – den Schnaps beim Christbaumloben ist das Gesamtkunstwerk allemal wert.

Auch unsere Krippe wird keineswegs nur von der heiligen Familie, Hirten, Königen und Engeln bevölkert. Weil wir Südfrankreich lieben und schon seit einem Vierteljahrhundert provençalische Tonfigürchen, die sogenannten Santons, sammeln, geben sich rund um den Stall ein Fischer, ein Imker, ein einsamer Boulespieler, ein Müller, ein Bäcker, ein Arzt, der Maler Cezanne, ein Stierhirt aus der Camargue, eine Lavendelschnitterin, eine Strickerin und viele andere Personen ein Stelldichein zwischen Windmühle und Borie. In diesem Jahr gesellen sich unter anderem ein Zeitungsleser und eine Krankenschwester dazu. Die Damen und Herren werden noch ein wenig mehr zusammenrücken müssen als schon in den vergangenen Jahren – besonders, wenn an Dreikönig auch noch die Könige samt Dromedar, Elefant und Kamelführer zur Krippe ziehen.

Unsere provençalische Santon-Krippe umfasst inzwischen mehr als 70 Figuren.

In diesen Tagen blicke ich aber auch zurück auf ein ereignisreiches Jahr, in dem ich viel unterwegs war, um Menschen für die Knopfmacherei zu begeistern – darunter allein viermal in der Schweiz. Bei den Oktoberkursen am Ballenbergzentrum in Hofstetten hat die Teilnehmerin Susanne Granzow nicht nur Zwirn- und Posamentenknöpfe gestaltet, sondern auch fotografiert und mir ihre Bilder zur Verfügung gestellt – eine große Freude, denn während des Unterrichtens komme ich meistens nicht dazu, Bilder zu machen. Hier also eine kleine Auswahl ihrer Fotos:

Die Teilnehmerinnen am Zwirnknopfkurs im Ballenbergzentrum haben schnell eigene kreative Ideen entwickelt und beispielsweise Perlkappen und Rocailles eingearbeitet. (Foto: Susanne Granzow)
Mein Arbeitsplatz im Kurszentrum Ballenberg in der Schweiz (Foto: Susanne Granzow)
All diese fantastisch gelungenen Knöpfe sind an zwei Tagen im Posamentenknopfkurs entstanden. (Foto: Susanne Granzow)

Der Vollständigkeit halber hier noch die beiden Ergebnisfotos der Oktoberkurse in der Schweiz:

Zwirnknopfkurs am 12./13. Oktober 2022 am Ballenbergzentrum/Schweiz
Posamentenknopfkurs am 14./15. Oktober 2022 am Ballenbergzentrum/Schweiz

Fürs nächste Jahr sind drei Kursblöcke mit jeweils zwei Zwei-Tages-Kursen (Zwirnknöpfe bzw. Posamentenknöpfe) am Ballenbergzentrum für Februar, Juli und Oktober geplant.

Außer den Terminen in der Schweiz stehen auch einige weitere Kurstermine für 2023 im Kalender: in Roggenburg bei Ulm und in der Kunststätte Bossard in Niedersachsen, bei Wollknoll in Oberrot und bei der Volkshochschule Zusamtal, um nur einige zu nennen. Vom Drei-Stunden-Kurs am Abend bis zur kreativen Woche ist alles dabei. Hier findet ihr die komplette Liste, die ich immer wieder aktualisieren werde.

Wer ab und zu Informationen aus der Knopfwerkstatt bekommen möchte (nicht zu oft, denn dazu fehlt mir schlichtweg die Zeit), abonniert am besten den Newsletter. Aber auch auf Facebook und Instagram poste ich immer wieder Bilder und Neuigkeiten zu Kursen & Knöpfen.

In den nächsten Tagen werde ich erst einmal eine schöpferische Pause einlegen, bevor ich mich im neuen Jahr an neue Anleitungsblätter mache, zum Beispiel zu den viktorianischen Knöpfen und den Schneckenknöpfen, denn die sind Thema in der Trachtenwerkwoche in Babenhausen und bei den Knopfmachertagen in Krumbach.

Ich freue mich auf ein Kennenlernen oder Wiedersehen im neuen Jahr. Einstweilen wünsche ich euch und uns allen ein frohes, harmonisches und gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Start in ein neues Jahr voller Gesundheit und Frieden.

Von Brandenburg ins Berner Oberland

18. September 2022

Mal die weiten Ebenen Brandenburgs, mal das bergige Berner Oberland: Auch in den vergangenen Wochen bin ich mit meiner Knopfwerkstatt weit herumgekommen, um Menschen für die Knopfmacherei zu begeistern.

Knöpfe, Kühe und Tomaten:
Kurswochenende auf dem Werenziahof

Sabine Reichert-Kassube macht aus ihrem Werenziahof im brandenburgischen Werenzhain ein Kunstprojekt.

Bei der Filzkünstlerin Sabine Reichert-Kassube war ich schon zum vierten Mal zu Gast: Zweimal habe ich in ihrem früheren Atelier in Berlin-Friedrichshagen Workshops gegeben. 2020 sollte mein Kurs der letzte dort vor dem Umzug nach Werenzhain sein, doch der fiel schon coronabedingt aus. So lernte ich das Kunstprojekt Werenziahof im vergangenen Jahr kennen und kam nun sehr gerne zurück, um wieder zwei Tage lang dort zu unterrichten.

Sabine Reichert-Kassube mit einer ihrer Laufenten

Seit meinem Besuch im August 2021 hatte sich einiges verändert: Der auf einer Seite offene Durchgang, in dem damals die Schwalben genistet hatten, ist nun auf beiden Seiten durch große Glasfronten geschlossen und mit einem fantasievollen Mosaikboden gepflastert, sodass ein lichter Wintergarten als Ausstellungs- und Aufenthaltsraum entstanden ist. Am Tag vor dem Workshop waren außerdem drei junge Laufenten auf dem Hof eingezogen, und im Waschhaus gab es eine kleine Ausstellung zum Thema „Kuh“ zu sehen.

Einige der Exponate in der Ausstellung zum Thema „Kuh“

Ihr Filzatelier hatte unsere Gastgeberin fast vollständig für den Knopfworkshop ausgeräumt, an dessen erstem Tag auch zwei Männer teilnahmen: Vater und Sohn einer vierköpfigen Familie aus Berlin, die immer wieder gemeinsam Kreativkurse besucht – vor einiger Zeit einen über das Drehen von Glasperlen, nun eben einen über Posamentenknopfmacherei. Eine Teilnehmerin hatte mich im vergangenen Jahr im Bayerischen Fernsehen entdeckt und sofort eine Freundin überredet, mit ihr gemeinsam den Workshop in Werenzhain zu buchen. Eine andere hatte bereits einen Knopfmachereikurs in der Trachtenkultur-Beratung in Krumbach absolviert und freute sich, ihre Kenntnisse näher an ihrem Wohnort Dresden erweitern zu können. Und Sabine Reichert-Kassubes Schwester Birgit verzichtete sogar einige Stunden lang auf das Programm des Sängerfestes in Finsterwalde, um ihre ersten Knöpfe zu gestalten. Begeistert nähte sie ihre Werke sofort an, sodass wir fürs Abschlussfoto ihre Jacke mit ins Bild drapieren mussten.

Wie immer übten wir die Grundtechniken am Sternknopf. Einige ambitionierte Teilnehmerinnen wagten sich dabei schon bald an zweifarbige Grundgerüste oder arbeiteten Folienspiegel ein. (Die sind immer eine willkommene Ausrede dafür, zwischendurch ein bisschen süße Nervennahrung zu naschen, um an gold- oder silberglänzende Folienstückchen zu kommen.)

Weil nicht alle am zweiten Tag dabei sein konnten, aber großes Interesse an der Zwirnknopftechnik äußerten, änderten wir das Programm kurzfristig und gestalteten Zwirnsterne, zum Teil schon mit integriertem Kronkorken.

Am Folgetag kehrten wir dann wieder zu den Variationen des Sternknopfs zurück und befassten uns mit meinem Lieblingsmodell, dem Augsburger Knopf, der nicht nur außerordentlich dekorativ ist, sondern sich wegen der dicht verwebten und überstickten Fäden auch sehr gut als Gebrauchsknopf eignet. Ich bin wirklich stolz darauf, welch schöne Exemplare im Kurs entstanden sind.

Die Ergebnisse der beiden Kurstage in Werenzhain

Zwischendurch haben wir uns ein wenig die Füße vertreten und einen ebenso begeisterten wie erfolgreichen Hobbygärtner in der Nachbarschaft besucht, der uns eingeladen hatte, seine mehr als dreißig Tomatensorten zu besichtigen und zu verkosten: Kaum zu glauben, wie unterschiedlich Tomaten schmecken können. Fasziniert haben uns auch die Bohnenpflanzen, die am Balkon hinauf ranken und große Mengen an dicken Bohnen in allen Größen und Farben liefern – fast so bunt wie unsere Knöpfe.

Besuch in der Tomatenausstellung (mit Exkurs zu dicken Bohnen): eine überwältigende Vielfalt!

Fazit: Der Wochenendkurs auf dem Werenziahof war über die Knopfmacherei hinaus bereichernd und überaus spannend. Ich komme gerne wieder.

Wir freuen uns über den gelungenen Wochenendkurs: Helene (links) und Sabine.

Bei den Textil-Profis in der Abegg-Stiftung

Kurz nach dem Wochenende in Brandenburg hat mich der Weg in die andere Richtung geführt: zur Abegg-Stiftung in Riggisberg in der Schweiz. Die Stiftung betreibt in der Nähe von Bern ein sehr sehenswertes Museum mit textilen Schätzen und anderen Kunstwerken aus mehreren Jahrtausenden sowie ein Atelier für Textilkonservierung und -restaurierung, in dem auch Studierende ausgebildet werden.

Das Museumsgebäude der Abegg-Stiftung in Riggisberg

Das Kollegium des Textil-Ateliers wollte der Restauratorin Corinna H. zum Übertritt in den Ruhestand ein außergewöhnliches Geschenk machen: einen gemeinsamen Knopfkurs. Eine wunderbare Idee, wie ich finde, und eine echte Herausforderung für mich, denn die Mitarbeiterinnen des Ateliers sind allesamt Koryphäen in diversen textilen Techniken.

Eine Herausforderung war der Kurs aber auch in anderer Hinsicht: Während ich sonst die Teilnehmerzahl auf acht bis zehn begrenze, ließ ich mich in Riggisberg wegen der textilen Expertise und des Abschieds-Events auf rund zwanzig ein, die zudem zwölf Nationen repräsentierten. Aber wie erwartet, waren alle mit großer Fertigkeit und Kompetenz bei der Sache, sodass weder die Klassengröße noch die unterschiedlichen Muttersprachen (alle verstanden und sprachen sehr gut Deutsch) ein Problem darstellten und wir zügig vorankamen.

Einige Impressionen aus dem Knopfmachereikurs an der Abegg-Stiftung

Wir begannen wieder mit dem Sternknopf und dem Glatten Knopf und gingen nach dem Mittagessen (einer köstlichen Bohnenquiche in der hauseigenen Cafeteria) direkt zum Viereckknopf mit gewebtem Muster über, weil einige Teilnehmerinnen Motive in ihren Knopf einweben wollten.

Völlig sprachlos war ich am Ende, als eine von ihnen ohne Anleitung einen gewebten Sternknopf allein nach einem Foto anfertigte und fand: „Das ist doch ganz logisch.“ Lakonischer Kommentar ihrer Nachbarin: „Sie kann das, schließlich ist sie Weberin.“ Ja dann … Leider wurde dieses erstaunliche Werk erst nach dem Abschlussfoto fertig.

Ergebnisse des Tageskurses an der Abegg-Stiftung

Nach knapp acht Stunden waren sage und schreibe 95 Knöpfe entstanden – auch bei der großen Teilnehmerzahl ein beachtliches Ergebnis. Freilich ist ein Kurs vor so vielen Menschen anstrengend, aber die Organisatorinnen haben alles dafür getan, dass ich mich rundherum wohlfühlen konnte. Falls sich eine Kollegin beispielsweise einen Zwirnknopfkurs zum Ausstand wünschen würde – ich wäre dazu gern bereit.

Am Tag nach dem erfolgreichen Kurs habe ich etwas wehmütig von der gastfreundlichen Abegg-Stiftung Abschied genommen und auf dem Heimweg noch einen Abstecher nach Bern gemacht. Dort wurde nämlich im Kunstmuseum just an dem Tag die Ausstellung „Gurlitt. Eine Bilanz“ über den Nachlass von Cornelius Gurlitt bzw. seinem Vater, dem Kunsthändler und Sammler Hildebrand Gurlitt, eröffnet. Ich hatte auf der Fahrt in die Schweiz einen Radiobeitrag über dieses Legat, die extrem aufwendige Provenienzforschung (Stichwort: Raubkunst) und die daraus entstandene Ausstellung gehört und spontan einer kunstsinnigen Freundin aus Zürich ein Treffen in Bern vorgeschlagen. Wir haben es nicht bereut! Wer bis Mitte Januar nach Bern kommt, sollte sich die Ausstellung nicht entgehen lassen.

Sehr empfehlenswert: die Ausstellung „Gurlitt. Eine Bilanz“ im Kunstmuseum Bern

Ausblick auf die nächsten Wochen

Inzwischen stehen die Kisten mit Kursmaterial, Anschauungsobjekten und Technik wieder in der Knopfwerkstatt. In den nächsten Tagen müssen einige Projekte im Redaktionsbüro fertig werden.

Aber schon Anfang Oktober geht die Knopfwerkstatt wieder auf Tour: Am Mittwoch, 5. Oktober, zeige ich in einem Workshop bei MEZ in Herbolzheim am Sternknopf die Grundlagen der Posamentenknopfmacherei. Und sozusagen als Bonus-Track fertigen wir einen Yorkshire Button an, der sich zu einem niedlichen Teddykopf weiterverarbeiten lässt.

Aus einem Yorkshire Button lässt sich ein hübscher Teddykopf zaubern.

Am darauf folgenden Wochenende 8./9. Oktober präsentiere ich meine Knöpfe auf dem 22. Schwäbischen Trachtenmarkt der Trachtenkultur-Beratung in Krumbach.

Das Maut-Pickerl für die Schweiz rentiert sich in diesem Jahr, denn am 11. Oktober zieht es mich wieder in die Schweiz: zum Ballenbergzentrum, wo ich vom 12. bis zum 15. Oktober zwei Knopfmachereikurse gebe.

Anfang November schließlich rollt die Knopfwerkstatt zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder nach Wien: Dort gebe ich am Mittwoch/Donnerstag, 2./3. November, einen Knopfkurs im Atelier von Sawatou Mouratidou und nehme am Wochenende 5./6. November am Markt „Kunst im Handwerk“ in Perchtoldsdorf teil.

Reichlich Gelegenheit also, einander (wieder) zu sehen! Ich freu mich drauf!

Knopfkurse mit Bergpanorama

10. August 2022

Seit Kurzem steht eine lebensgroße Holzkuh vor dem Eingang zum Ballenbergzentrum.

Schon zwei Tage nach unserer Rückkehr aus der Provence (siehe Blog-Eintrag „Knöpfe und Lavendelduft“) habe ich meinen kleinen roten Knopfwerkstatt-Flitzer wieder bis unters Dach vollgepackt und bin in Richtung Schweiz aufgebrochen. Im Ballenbergzentrum im Berner Oberland hatte ich schon im Februar zwei Kurse gegeben und freute mich darauf, wieder an diesem ganz besonderen Ort zu unterrichten.

Ich war auch sehr gespannt darauf, das Freilichtmuseum Ballenberg im Sommer zu erleben, denn im Februar war ich nur einmal in der Abenddämmerung eine Stunde lang durch das weitläufige Gelände gewandert und hatte dabei die Bekanntschaft eines einsamen Alphornbläsers gemacht, der unter dem Vordach einer Scheune übte: ein magisches Erlebnis, im abendlichen Dunst von Alphornklängen begleitet zu werden.

Die Voraussetzungen für die Kurse waren wie im Winter erstklassig: ein großer Raum im kühlen Untergeschoss (direkt neben der Cafeteria!) mit viel Platz für alle Teilnehmerinnen, Licht, Kabeltrommeln und (danke, Lukas!) zwei nagelneuen Adaptern für die Schweizer Steckdosen.

Eine kleine Ausstellung fertiger Knöpfe soll die Teilnehmerinnen inspirieren.
Hier lässt sich sehr angenehm unterrichten.

Wie sich herausstellte, hatten die Teilnehmerinnen an beiden Zwei-Tages-Kursen (Posamentenknöpfe und Zwirnknöpfe) ausgezeichnete Vorkenntnisse in textilen Techniken, sodass wir vom Sternknopf bzw. dem Zwirnstern zügig zu anspruchsvolleren Techniken übergehen konnten.

Patricia, von Beruf Handarbeitslehrerin, war volle vier Tage in beiden Kursen dabei und hat ihre Knöpfe ganz besonders sorgfältig dokumentiert und abends sogar noch in ihrer Pension Überstunden gemacht, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein. Ich habe mich sehr darüber gefreut, denn genau dafür habe ich dieses Notizbuch „Meine Knöpfe“ entwickelt – und so akkurat hat es wohl noch nie jemand geführt.

Eine Doppelseite aus Patricias Knopf-Journal: Danke, dass ich das zeigen darf!

Die gewebten Herzknöpfe waren im Posamentenknopfkurs besonders beliebt, aber es sind auch viele andere schöne Knöpfe in den zwei Tagen entstanden. Wir hatten mit einem gewickelten Sternknopf und einem Glatten Knopf angefangen und uns über den Augsburger Knopf zum Viereckknopf und zum Schwälmer Hutknopf vorgearbeitet.

Ein beeindruckendes Bouquet an Posamentenknöpfen aus zwei Kurstagen.

Die Teilnehmerinnen im Zwirnknopfkurs waren überhaupt nicht zu bremsen. Die Grundtechnik hatten wir am Zwirnstern geübt und darauf aufbauend Kronkorken eingearbeitet und Blüten ins Grundgerüst eingestickt. Auf vielfachen Wunsch haben wir uns am Schluss noch einen Exkurs zum Yorkshire Button gegönnt.

Das Einarbeiten von Kronkorken in einen großen Zwirnknopf hat allen viel Spaß gemacht.
Auf diese Ergebnisse können die Teilnehmerinnen meines Zwirnknopfkurses wirklich stolz sein.

Eine besondere Freude war es für mich, am Abend nach einem Kurstag Gerda, eine Knopfmacherin aus der Gegend, persönlich zu treffen, die ich bisher nur über die Knöpfe-Gruppe auf Facebook und über Online-Kurse kennengelernt hatte. War das schön, gemeinsam zu Abend zu essen und anschließend durch das abendlich ruhige Freilichtmuseum zu wandern!

Überhaupt – das Freilichtmuseum! Es war ein außerordentliches Vergnügen, morgens und abends durch das Gelände zu streifen, wenn das Museum noch nicht oder nicht mehr geöffnet hatte. Ich habe die Gelegenheit täglich genutzt und sogar mein Frühstück auf meine ein- bis zweistündige Runde mitgenommen. Zwar waren zu diesen Zeiten die Häuser geschlossen, aber es war allein schon ein Genuss, von der Zentralschweiz ins Tessin und vom Wallis nach Graubünden zu wandern, vorbei an Weiden mit Ziegen, Pferden oder Kühen, Bauerngärten, Weinreben und durch Waldstücke.

Am ersten und am letzten Tag konnte ich zu den Öffnungszeiten auch einen Blick in die Häuser, in die Werkstätten und in die Sellerie werfen, und auch das hat sich wirklich gelohnt. Hier ein paar Impressionen:

Freilichtmuseum Ballenberg: Blick in die Berge
Strohgedecktes Haus im Freilichtmuseum Ballenberg
Freilichtmuseum Ballenberg: Küche
Freilichtmuseum Ballenberg: Schlafzimmer
Freilichtmuseum Ballenberg: Edelschweine
Freilichtmuseum Ballenberg: Hutmacherwerkstatt

Der Posamentenknopfkurs hat sogar am ersten Tag nach dem Mittagessen eine Exkursion ins Museum unternommen, um den Posamentenband-Webstuhl in Aktion zu erleben. Was für eine beeindruckende Maschine, auf der aus feinsten Fäden – einst Seide, heute Viskose – gleichzeitig viele schmale Bändchen entstehen! Die Technik ist wirklich ausgeklügelt, denn die winzigen Schiffchen dürfen ja nicht über die komplette Breite des Webstuhls geschossen werden, sondern müssen immer bereits nach der Kette für das jeweilige Bändchen wenden.

Der Posamentenband-Webstuhl des Freilichtmuseums Ballenberg
Aus feinsten Fäden entstehen die schmalen Bänder.

Natürlich habe ich auch den berühmten Trauffer-Kühen einen Besuch abgestattet, die in der Schweiz offenbar jedes Kind kennt und die in Hofstetten, ein paar hundert Meter vom Ballenbergzentrum entfernt, hergestellt werden. Seit Juli gibt es dort die Trauffer Erlebniswelt, in der man unter anderem den Werdegang einer solchen Kult-Kuh in vielen Arbeitsschritten verfolgen kann. Ein netter Gag ist das Spiegelkabinett, in dem Hunderte von Holzkühen durch die Spiegelungen zu einer schier unübersehbaren Herde werden. Und sogar ein paar knopfwerkstattfarbene Exemplare sind dabei.

Trauffer-Kuh im Knopfwerkstatt-Look

Einen Ausflug an den Brienzer See habe ich mir nur am letzten Abend gegönnt – nach Kursende und vor einem weiteren Highlight im Museum, das mir wirklich ans Herz gewachsen ist: einer Theateraufführung in der Abenddämmerung (siehe unten).

In Brienz hatte die ganze Woche über ein Holzbildhauer-Symposium am Seeufer stattgefunden, dessen Ergebnisse am Samstagabend präsentiert wurden.

Blick über den Brienzer See in Richtung Brienz
Holzbildhauer-Symposium am Brienzer See
Holzbildhauer-Symposium am Brienzer See

Für den späteren Abend hatte ich ein Ticket für die Inszenierung „Brandboden oder Wie Melk die Kohle aus dem Feuer holt“ des Landschaftstheaters Ballenberg gebucht und wurde nicht enttäuscht. Die Adaptation des Märchens „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff als Wandertheater mit mehreren Stationen im Freilichtmuseum war ausgesprochen eindrucksvoll – bis hin zu den im Wald rot flackernden gestohlenen Herzen, die über verborgene Lautsprecher pochten.

„Brandboden oder Wie Melk die Kohle aus dem Feuer holt“, Landschaftstheater Ballenberg 2022

Am Sonntagmorgen habe ich dann noch eine Runde durchs Museum gedreht, um mir vor der fünfstündigen Heimfahrt die Füße zu vertreten. Leicht ist mir der Abschied nicht gefallen – aber ich freue mich schon jetzt darauf, im Oktober wieder im Ballenbergzentrum zu unterrichten. Zuvor geht’s Ende August erst einmal in die entgegengesetzte Richtung: zu einem Wochenendkurs nach Brandenburg auf den Werenziahof von Sabine Reichert-Kassube.

Auf Wiedersehen auf dem Ballenberg im Oktober!

[Alle Links dienen nur der Information und sind weder beauftragt noch bezahlt.]
Alle aktuellen Kurstermine findet ihr unter „Termine“ auf dieser Website.

Knöpfe statt Spitze und das Geheimnis der Jatte

Franziskanerkloster Ehingen: Sitz der Volkshochschule

30. Mai 2022

Einer der schönen Aspekte am Beruf als Knopfmacherin ist, dass mich meine Kurse immer wieder an interessante Orte führen und jedesmal mit anderen Menschen zusammenbringen. Diesmal durfte ich eine eingeschworene Gruppe von Klöpplerinnen um die rührige Waltraud Steeb bei der Volkshochschule Ehingen an die Knopfmacherei heranführen. Der Kontakt war auf einem Umweg über die Schweiz entstanden, und so kamen nicht nur Klöpplerinnen aus dem näheren Umkreis zum Kurs, sondern auch zwei Teilnehmerinnen aus der Schweiz und eine aus Köln, die sechs Stunden mit Zug und Bus unterwegs war.

Große Freude schon bei der Ankunft: Das ehemalige Franziskanerkloster, in dem die VHS Ehingen ihren Sitz hat, ist eine malerische Anlage, und der Seminarraum im zweiten Stock lässt buchstäblich keine Wünsche offen. Kisten und Kästen mit Material, Anschauungsobjekten und technischem Equipment lassen sich mit Rollwägen vom Eingang im Erdgeschoss per Aufzug nach oben und direkt in den Raum befördern, es gibt einen Abstellraum und – tadaaaa! – ein riesiges Smartboard, das sich erstaunlich einfach mit meinem Laptop verbinden ließ, sodass ich alle Arbeitsschritte für alle gut sichtbar auf dem Bildschirm zeigen konnte, ohne Leinwand und Beamer aufbauen zu müssen. Ein wirklicher Gewinn für den Kurs!

Das Smartboard hat bei der VHS Ehingen die alte Kreidetafel abgelöst und leistet bei Kursen gute Dienste.

Die begeisterten Klöpplerinnen, die sich in Chainette- und Hohlspitze ebenso auskennen wie im Klöppeln von Jugendstilmustern oder plastischen Blüten, sind sehr vielseitig an diversen Textilkunstthemen interessiert, die selbst mir nach 30 Jahren als Redakteurin von Kreativthemen noch neu waren. So fiel mir in Waltraud Steebs Kursprogramm das Wort „Jatte“ auf: „Schmuck aus Rosshaar auf der Jatte“.

Rosshaar? Jatte? Schmuck aus Menschen- oder Rosshaar ist mir im Laufe der Jahre immer wieder in Museen begegnet, beispielsweise Uhrketten, die junge Frauen im 19. Jahrhundert aus ihren eigenen Haaren für den Liebsten geflochten hatten. Aber darüber, wie solche kleinen Kunstwerke entstanden sind, hatte ich mir nie große Gedanken gemacht – bis zu diesem Wochenende.

Auf der Jatte klöppelt Waltraud Steeb kunstvollen Schmuck aus Rosshaar. Hier sind 32 Klöppel in Arbeit.

Am Abend nach den ersten Knopfworkshopstunden, in denen wir uns mit dem Grundgerüst und den einfachen Wickeltechniken beschäftigten, lud Waltraud Steeb uns zu sich nach Hause ein und demonstrierte mir an der von ihrem Mann gebauten und immer wieder verbesserten Jatte, wie sie aus Rosshaar kunstvolle Hohlgeflechte klöppelt.

Die Methode erinnert an die japanische Kumihimo-Technik zum Flechten von Kordeln, allerdings arbeitet Waltraud Steeb mit wesentlich mehr und wesentlich dünneren Fäden aus einem bis drei Rosshaaren. Über ihre Halsketten und Ringe mit filigranen eingelegten Flechtbändern habe ich sehr gestaunt und mich gefreut, eine Wissenslücke geschlossen zu haben.

Flechtschmuck aus Rosshaar – von Waltraud Steeb auf der Jatte gearbeitet

Die Wissbegier der Kursteilnehmerinnen und ihre Begeisterung für die Kopfmacherei waren so groß, dass manchmal fast (aber wirklich nur fast!) die in dieser Gruppe traditionellen Kaffeepausen am Vormittag und am Nachmittag vergessen worden wären: Augsburger Knopf, Zwirnstern, Zwirnstern mit integriertem Kronkorken und schließlich der Viereckknopf – erst nur gewickelt, dann mit eingewebten Mustern – entstanden und regten die Kreativität der Klöpplerinnen an. Bettina aus Köln webte beispielsweise den Kölner Dom in ihren Viereckknopf ein, Jolanda aus der Schweiz gestaltete ihr Monogramm, und Tina verzierte über Nacht rasch zwei ihrer Zwirnknöpfe mit Perlen.

Kreative Ideen für Webmuster in Viereckknöpfen

Entsprechend eindrucksvoll fiel dann am Sonntagmittag das Abschlussfoto aus:

Ergebnisse des Knopfmacherei-Kurses an der VHS Ehingen

Auch wenn sie nicht geklöppelt sind: Diese Knöpfe sind Spitze, finde ich. Und die Klöpplerinnen sind der Knopfmacherei offensichtlich noch lange nicht überdrüssig, denn wir haben schon einen neuen Termin fürs Himmelfahrtswochenende 2023 ins Auge gefasst. Dann wollen sie nicht nur Knöpfe gestalten, sondern auch Yubinuki, japanische Fingerhutringe, die sie auf einem meiner Anleitungsblätter gesehen haben und mit ihrem Rosshaarschmuck kombinieren wollen. Ein bisschen Klöppelspitze gab’s am Ende doch noch: Edeltraud überreichte mir eine Dankeskarte mit handgeklöppeltem Herz. Den Dank gebe ich gern zurück!

Ein geklöppeltes Herz als außergewöhnliches Dankeschön

Wer jetzt Lust bekommt, die Knopfmacherei selbst einmal auszuprobieren, hat im Juli und August in ganz unterschiedlichen Gegenden die Möglichkeit dazu: Vom 6. bis zum 9. Juli gebe ich zwei Zweitageskurse im Kurszentrum Ballenberg im Berner Oberland, am 30./31. Juli mache ich mit meiner Knopfwerkstatt im Wampendobler Paradies in Niederbayern Station, und am 27./28. Juli komme ich schon zum zweiten Mal auf den Werenziahof von Sabine Reichert-Kassube in Brandenburg.

Knopfkurs de Luxe

19. Mai 2022

Außergewöhnliche Orte und Räume für meine Workshops bin ich ja schon einigermaßen gewöhnt: einen ehemaligen Bauernhof in Brandenburg, eine Reithalle im niederländischen Brabant, ein Weingut in Oppenheim oder das Ballenbergzentrum hoch im Berner Oberland, von spontanen Schnupperkursen im Zug zwischen Augsburg und Frankfurt oder an einem Regentag in der Stube eines Südtiroler Ferienbauernhofs ganz zu schweigen. Kurse im Atelier von Elvira Altdorf in Übach-Palenberg bei Aachen sind trotzdem immer etwas ganz Besonderes.

Das Atelier von Elvira Altdorf in Übach-Palenberg

Das Atelier in einem separaten Gebäude, ein paar Schritte vom Wohnhaus entfernt, liegt in einem weitläufigen Garten, in dem es an jeder Ecke Kunst zu entdecken gibt. Sogar auf der Vogeltränke haben es sich drei Bronzefigürchen gemütlich gemacht.

Im weitläufigen Garten gibt es allerlei zu entdecken.

Doch nicht nur dieses einzigartige Ambiente macht jedes Kurswochenende zu einem Erlebnis, sondern vor allem die herzliche Gastfreundschaft, mit der Elvira und Heinz Altdorf die ganze Gruppe nach Strich und Faden verwöhnen. Da steht an jedem Arbeitsplatz eine Flasche Wasser, Schokolade und Cookies liegen zur Stärkung bereit, und mittags wartet schon eine köstliche Mahlzeit mit Gemüse und Salat sowie Kaffee und Kuchen zum Nachtisch auf die hungrigen Gäste. All das ist keineswegs selbstverständlich, und entsprechend haben wir’s genossen.

Im Kursraum selbst hatten die sieben Teilnehmerinnen an U-förmig aufgestellten Tischen reichlich Platz und gute Sicht auf die Leinwand, auf die ich per Kamera meine Hände bei der Arbeit projiziere. Die Technik hat die überdimensionalen Holzscheiben und Ringe abgelöst, an denen ich die Wickel- und Webtechniken bis vor zwei Jahren demonstriert habe. Auf einem großen Filztisch konnte ich eine Auswahl fertiger Knöpfe, alte Trachtenteile und neue Projekte mit Zwirn- und Posamentenknöpfen präsentieren und das Material bereitlegen.

Der Einsatz von Kamera, Laptop, Beamer und Leinwand hat sich inzwischen bei vielen Kursen bewährt.
Die alte Schwälmer Trolljacke, mein Hut und meine Uhr mit neuen Knöpfen in alter Technik sollen die Teilnehmerinnen zu eigenen Anwendungsideen inspirieren.
Garne, Garnkärtchen und Rohlinge für viele, viele bunte Knöpfe

Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, welche Garnfarben die Teilnehmerinnen für ihre eigenen Knöpfe wählen und kombinieren. Mein Faible für Türkis, Petrol, Teal, Mint und alle anderen Schattierungen des blaugrünen Spektrums hat sich inzwischen herumgesprochen. Neulich hatte sogar eine Teilnehmerin eine ganze Kiste voller Garne in Rottönen dabei, weil sie fürchtete, ich würde nur Garne in Blau, Grün und Türkis anbieten. Aber keine Sorge: Ich bringe immer eine breite Palette an Farben mit.

Die kreative Gruppe meines dritten Kurses im Atelier von Elvira Altdorf (links)

Am Samstagnachmittag beschäftigten wir uns erst einmal mit den elementaren Techniken der Posamentenknopfmacherei, legten ein Grundgerüst an und wickelten den Sternknopf und den Glatten Knopf. Wie immer gab’s beim Sichern und Vernähen des Grundgerüstes ein Gedenken an die strengen Handarbeitslehrerinnen meiner Grundschulzeit, Schwester Laurentia und Schwester Ambrosia, die jede Handarbeit erst einmal auf links drehten, um die Verarbeitung der Rückseite zu begutachten.

Am Sonntag übertrugen wir die Erfahrungen vom Vortag dann vom Holzrohling auf den Aluminiumring und fertigten erst kleinere Zwirnsterne und später große Zwirnsterne mit integriertem Kronkorken an. Ich bin mir sicher, dass die frischgebackenen Knopfmacherinnen künftig mit ganz neuen Augen durch den Getränkemarkt streifen werden …

Sternknöpfe, Glatte Knöpfe sowie Zwirnsterne mit und ohne integrierten Kronkorken entstanden in eineinhalb Kurstagen.

Eine Überraschung gab’s zum Schluss: Petra Müller, Reisebuchautorin und Videobloggerin, hat während des Kurses fotografiert und gefilmt und ihr Material anschließend innerhalb weniger Stunden zu einem Film verarbeitet. So konnte ich schon auf der Heimfahrt die Erinnerungen an das gelungene Wochenende Revue passieren lassen. Schaut gerne auch mal rein – hier geht’s zum Video: https://youtu.be/_Hlogj4YsgY.

Ich packe derweil schon wieder meine Kisten, denn nächste Woche geht’s wieder an einen besonderen Ort: ins Franziskanerkloster Ehingen.