Knopfmacherei im virtuellen Kursraum

23. Juni 2021

Der Knöpffmacher; Kupferstich aus Christoph Weigels Ständebuch von 1711

Das hätten sich die Knopfmacher, die der Kupferstecher Christoph Weigel in seinem Ständebuch von 1711 in ihrer pittoresken Werkstatt zeigt, wohl nicht vorstellen können: Frauen, die Hunderte von Kilometern voneinander entfernt sind, fertigen gemeinsam Posamenten- und Zwirnknöpfe an, sehen einander und plaudern über die Entfernung hinweg. Doch auch die Knopfmacherinnen – inzwischen sind die Frauen in diesem einstigen Männerberuf ja weit in der Überzahl – gehen mit der Zeit, und so waren am Wochenende 19./20. Juni Kursteilnehmerinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz virtuell zu Gast in der Knopfwerkstatt, um mit mir zusammen im Rahmen der digitalen Textile Art Berlin Viereckknöpfe, Yubinuki und Zwirnknöpfe zu gestalten.

Eigentlich wollte ich an diesem Wochenende in Berlin-Mitte im Schulgebäude auf dem Phorms Campus Workshops geben wie schon 2018 und 2019, aber das Organisationsteam der Textile Art Berlin hatte vorausschauend schon frühzeitig entschieden, die Textilkunstmesse mit vielen Präsentationen, Workshops, Modenschauen und Ausstellungen ins Internet zu verlegen. Um all jene, die sich zum Teil bereits im Januar für meine Kurse angemeldet hatten, nicht zu enttäuschen, nahm ich die digitale Messe zum Anlass, endlich das Thema Online-Workshops anzugehen, über das ich schon seit Monaten nachdenke. Allein unsere 6-MBit-Datenleitung hatte mich bisher zögern lassen. Unser Netzanbieter machte es spannend, aber drei Tage vor dem ersten Kurs stand endlich die Verbindung mit 50 MBit – hurra.

Die Themen der vier Onlinekurse (von oben links im Uhrzeigersinn): Blütenbaum im Zwirnknopf; Zwirnknopf mit Inhalt (Kronkorken, Münze o.Ä.); Yubinuki – japanische Fingerhutringe; Posamentenknöpfe – die Quadratur des Kreises

Vier Workshops hatte ich für das Programm der Textile Art Berlin angekündigt, und nach Rücksprache mit Nathalie Wolters boten wir die Kurse kurzerhand mit denselben Themen und zu den geplanten Zeiten online an. Wer wollte, konnte das Material für den gebuchten Workshop vorab bestellen. Die Nachfrage war höchst erfreulich: Schon zwei Wochen vor der Textile Art Berlin waren alle Kurse mit jeweils zehn Plätzen ausgebucht. Zum Glück erklärte sich meine Tochter Eva bereit, einige freie Tage zu opfern, um Garnkärtchen zu stanzen, Garne zuzuschneiden und aufzuwickeln und Materialsets in Tütchen zu verpacken.

Das Video-Studio der Knopfwerkstatt

Das Video-Studio für die Kurse entstand auf der Galerie der Knopfwerkstatt, und einige Nachbarn und Freunde ließen sich zu Test-Meetings einladen, die reibungslos funktionierten: Stream ohne Unterbrechungen, problemloses Umschalten zwischen den Kameras, ordentliches Bild – große Erleichterung! 😅

Während der Kurse zeigte sich dann, wo noch Verbesserungen möglich sind: Das Bild der Dokumentkamera, die meine Hände bei der Arbeit oder Details der Knöpfe zeigen, dürfte beispielsweise noch heller ausgeleuchtet werden, und die Garne für die verschiedenen Arbeitsschritte sollten sich im Helligkeitswert stärker unterscheiden. Insgesamt herrschte in allen vier Kursen eine höchst kreative, konzentrierte Atmosphäre.

In den insgesamt zehn Onlinestunden erwiesen sich denn auch die Vor- und Nachteile der digitalen Workshops im Vergleich zu Kursen vor Ort: Während ich in Präsenzkursen von einer Teilnehmerin zur anderen gehen und deren Werkstück auch einmal in die Hand nehmen kann, um ein Problem zu begutachten oder einen Tipp zu geben, kann ich mich online nur am Bild auf dem Monitor orientieren, das je nach den technischen Voraussetzungen und den Lichtverhältnissen manchmal nicht jedes Detail erkennen lässt. Dafür sehen alle Teilnehmerinnen gleichzeitig jeden Arbeitsschritt genau (sofern ich nicht gerade vor lauter Eifer die Hände aus dem Kamerawinkel entferne 🙈). Außerdem hätten manche der knopfbegeisterten Kursteilnehmerinnen gar nicht nach Berlin reisen können und haben die Möglichkeit, virtuell zusammenzukommen, sehr gern wahrgenommen.

Susann Kachel, die beim letzten Kurs „Zwirnknopf mit Inhalt“ dabei war, hätte keinen weiten Weg zur Textile Art Berlin auf dem Phorms Campus gehabt. Die Pastorin baut gerade mit ihrer Kollegin Jasmin El-Manhy das Segensbüro auf, das bei der Genezarethkirche am Herrfurthplatz in Berlin angesiedelt ist. Es bietet neue, moderne Formen von Segensritualen für Menschen an, die mit den traditionellen Gottesdiensten der Kirchen wenig anfangen können. Unter anderem gibt es künftig beim Segensbüro Boxen mit Material für Segensknöpfe zu Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Trauer, die wir gemeinsam konzipiert haben. (Mehr über dieses spannende Projekt demnächst in diesem Blog.)

Auf Instagram hat Susann Kachel ihren ersten eigenen Zwirnknopf aus dem Kurs gepostet und gleich einen der Segensbüro-Kronkorken in einen weiteren Knopf eingearbeitet:

Ein höchst gelungenes Erstlingswerk: der Zwirnknopf mit eingearbeitetem Kronkorken von Susann Kachel
In ihren zweiten Zwirnknopf hat Susann Kachel bereits einen der Kronkorken des Segensbüros integriert.

Aber auch alle anderen Ergebnisse können sich sehen lassen. Hier eine kleine Auswahl an Bildern der Kursteilnehmerinnen:

Monika Balschun aus der Schweiz hat an allen vier Kursen teilgenommen: Großen Respekt vor so viel Durchhaltevermögen bei tropischen Temperaturen und Glückwunsch zu den gelungenen Ergebnissen!
Ulla Schenkel vom Filzgarten Tirol hat das Prinzip der gewebten Viereckknöpfe kreativ umgesetzt.
Martina Schuh hat das Yubinuki-Fieber gepackt.
Eveline Groß liebt die knorrigen Stämme und Wurzeln der Bäumchen im Zwirnknopf, …
… und deshalb hat sie der Obstblüte im Frühling gleich noch die Apfelernte im Herbst hinterhergeschickt.
Dieses Blütenbäumchen hat Heike Biedermann im Kurs gestaltet.
Sabine Stock von der Kreativwerkstatt Hof Stock Kalletal meint zu ihrem Bäumchen: „Da werden meine Waldpädagogen sicher grün vor Neid!“
Petra Spreen hat ein Weilchen mit dem Faden gerungen, aber schließlich doch die Oberhand behalten und freut sich umso mehr über diesen zauberhaften Knopf, der sie künftig als Glücksbringer begleiten wird.

Ein Wochenende im Zeichen der Knöpfe – ABGESAGT

4./5. April 2020, 12587 Berlin-Friedrichshagen

Zwei Tage lang schwelgen wir in Knöpfen. EinsteigerInnen lernen die uralte Technik anhand des Sternknopfs und des Glatten Knopfs kennen; fortgeschrittene KnopfmacherInnen können sich an Herausforderungen wie den gewebten Viereckknopf, den Schwälmer Knopf oder den Krumbacher Westenknopf wagen. Wer mag, arbeitet ein Fundstück wie einen Kronkorken oder eine besondere Münze in einen Zwirnknopf ein.
Wochenendkurs im Atelier Arachne Textilkunst von Sabine Reichert-Kassube in 12587 Berlin-Friedrichshagen am 4. und 5. April 2020.
Information und Anmeldung

Zwirnknopf mit Inhalt – ABGESAGT

7. Juni 2020, 67583 Guntersblum

Zwirnknöpfe waren einst die mangelfesten Alltags- und Gebrauchsknöpfe an Bettwäsche und Hemden. Wir gestalten einen Zwirnknopf als Schmuckstück und arbeiten eine Münze, einen dekorativen Kronkorken oder ein ähnliches Fundstück ein und schaffen so ein außergewöhnliches, individuelles Schmuckstück.
Workshop auf dem Wollfest Guntersblum, Sonntag, 7. Juni 2020, 10–13 Uhr.
Kursgebühr: 34 Euro + Material (3–5 Euro)
Anmeldung

Blütenbaum im Zwirnknopf – NEUER TERMIN

21. Juni 2020, Berlin-Mitte

Traditioneller Zwirnknopf – modern interpretiert: In Abwandlung der klassischen Zwirnknopftechnik gestalten wir einen Baum mit knorrigem Wurzelstock und üppig blühender Krone in einem Aluminiumring als extravagantes Schmuckstück.
Workshop auf der Textile Art Berlin am Sonntag, 6. September 2020, 10.30–13.30 Uhr.
Kursgebühr: 30 Euro + Material (3–5 Euro)
Anmeldung

Schnupper-Workshops – ABGESAGT

27. und 28. Juni 2020, 47647 Kerken-Winternam

Lust, erste Erfahrungen in der Zwirn- und Posamentenknopfmacherei zu sammeln? Dann sind die Schnupper-Workshops auf dem Wollfest „Der Drache spinnt“, am Samstag/Sonntag, 27./28. Juni 2020, auf dem Hilshof, 47647 Kerken-Winternam, eine ausgezeichnete Gelegenheit. Aber Vorsicht: Suchtgefahr!
Information

Zwirnknöpfe – vom Gebrauchsknopf zum Collier

7./8. Oktober 2020, 74420 Oberrot

Einst waren Zwirnknöpfe die schlichten Alltagsknöpfe an Bettwäsche und Hemden. Mit größeren Ringen und farbigen Garnen gearbeitet, werden daraus außergewöhnliche kleine Kunstwerke, die sich z.B. zu einem exklusiven Collier kombinieren lassen. Wer mag, kann aber auch Fundstücke wie Münzen oder Kronkorken in Zwirnknöpfe einarbeiten oder einen Blütenbaum im Aluminiumring gestalten.
Mittwoch/Donnerstag, 7./8. Oktober 2020, bei Wollknoll in 74420 Oberrot
Anmeldung