3. Mai 2024
Eigentlich ist ein Besuch im Deutschen Knopfmuseum ja ein Muss für jede Knopfmacherin, und gebitzelt hat mich das seit Jahren immer wieder, zum Beispiel als meine Kollegin Jutta Kohlbeck dort ihre unverwechselbaren Knopfkreationen in einer Sonderausstellung zeigte. Vor einigen Wochen hat auch noch Hans Dill, der Geschäftsführer der gleichnamigen Knopffabrik in Bärnau, mir auf der Fachmesse h+h cologne von dem Museum vorgeschwärmt und seinen Tipp mit einem Marzipanknopf bekräftigt. Aber leider liegt Bärnau in der Oberpfalz in Rufweite zur tschechischen Grenze auf den wenigsten Strecken am Weg, und für einen Tagesausflug sind knapp 300 km bzw. drei Stunden einfache Fahrtzeit ein bisschen weit.
Die lang erhoffte Gelegenheit bot sich jetzt auf der Rückfahrt aus Prag, wo wir einen viertägigen Kurzurlaub verbracht hatten. Mein rotes Knopfmobil wurde quasi vom böhmischen Wind samt Schnee nach Bärnau geweht. Dort wurden mein Mann und ich im Museum sehr herzlich empfangen und freundlich informiert. Dass wir anstelle von Eintrittskarten je einen Knopf bekamen, versteht sich fast von selbst.
In Bärnau, einer der ältesten und zugleich wohl kleinsten Städte Bayerns, werden seit rund 130 Jahren Knöpfe hergestellt. Den Grundstein für diese zeitweilig blühende Industrie legte Johann Müller, der im Jahre 1895 die erste Perlmutterknopffabrik gründete. Ihren Höhepunkt erreichte die Herstellung von Perlmutterknöpfen in Bärnau in den 1950er-Jahren, bevor billigere Verfahren die Massenproduktion von Knöpfen aus Kunststoff und Metall ermöglichten. Von einst mehreren Dutzend Betrieben (auf der Website des Museums ist von 32, auf Wikipedia sogar von 70 die Rede) ist nur noch die oben erwähnte Knopffabrik Dill geblieben. Im 1975 gegründeten Museum lässt ein Film, zum Teil in historischen Aufnahmen, die buchstäblich (perlmutter-)glänzende Vergangenheit der Knopfstadt Revue passieren.
Auch die Dauerausstellung widmet sich schwerpunktmäßig den Knöpfen aus Perlmutter sowie den Muscheln und Schnecken, deren Schalen dieses einzigartige Material liefern.
Mindestens zehn Arbeitsschritte sind nach Informationen des Museums nötig, bis ein Perlmutterknopf fertig ist. Dabei entsteht auch eine große Menge an Abfall: Für ein Kilo fertige Knöpfe sind drei Kilo Muschelschalen und Meeresschneckengehäuse erforderlich.
Die verschiedenen Arbeitsgänge werden in einem großen Raum im Erdgeschoss des Museums anhand alter Maschinen dokumentiert.
Nach dem Ausbohren der Rohlinge, die zunächst noch rau, matt und unscheinbar wirken, und vielen weiteren Arbeitsschritten bis hin zum Polieren der Scheiben und dem Bohren der Löcher mussten die Knöpfe – oft in Heimarbeit – sortiert, gezählt und auf Karten aufgenäht werden. Ein solcher Arbeitsplatz ist im Museum dargestellt:
Doch nicht nur Knöpfe entstanden aus dem irisierend schillernden Material, sondern auch allerlei andere kunsthandwerkliche Arbeiten. Eine Fülle an Schenkungen und Leihgaben, darunter dekorative Dosen, Schmuck und ein Schachspiel, zeigt, wie Perlmutter die Menschen einst inspiriert hat und noch heute inspiriert, denn im Museumsshop gibt es neu angefertigte Anhänger und andere Schmuckstücke aus sorgsam ausgewählten und aufeinandergenähten (nicht geklebten!) historischen Perlmuttknöpfen zu kaufen.
Mich als Zwirn- und Posamentenknopfmacherin hat natürlich der große Ausstellungsraum im ersten Obergeschoss besonders angezogen, denn dort sind Hunderte Knöpfe aus unterschiedlichen Epochen und Materialien zu bestaunen: bescheidene Wäscheknöpfe, die Metallknöpfe vom Jackett eines Lufthansa-Piloten, elegante Knöpfe von Kleidern aus vergangenen Epochen – und nicht zuletzt auch einige textile Knöpfe.
Über die Knöpfe und die interessante Dokumentation zur Perlmuttknopfherstellung hinaus bietet das Museum in Bärnau noch einiges mehr an Sehenswertem und bisweilen Skurrilem: Redewendungen und Aberglauben rund um den Knopf, Wandbehänge mit Mustern aus Hunderten von Knöpfen, ein Paar in Kleid und Anzug aus mehr als 18500 Knöpfen und sogar ein Knopfporträt des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, das ihm 2015 als damaligem Heimatminister des Freistaats überreicht worden war (und das er unverzüglich dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt hat).
Das oberste Stockwerk des ehemaligen Kommunbrauhauses, in dem das Knopfmuseum seit 1998 untergebracht ist, wird für Sonderausstellungen genutzt. Noch bis zum 16. Juni 2024 wird dort unter dem Titel „Winke, winke – ein kleines Tuch verabschiedet sich!“ des guten alten Stofftaschentuchs gedacht, das (außer in den Hosentaschen meines Ehemannes, der auf Stoff schwört) allenthalben vom Papiertaschentuch verdrängt wird. Katinka Matthiessen hat eine beachtliche Sammlung von Taschentüchern aus verschiedenen Ländern zusammengetragen: umhäkelt, bestickt, mit Klöppel- oder Occhispitze verziert.
Fazit: Der Abstecher nach Bärnau hat sich gelohnt, auch wenn die textilen Knöpfe im Museum nur eine Nebenrolle spielen, was angesichts der Perlmutter-Vergangenheit der örtlichen Knopfindustrie nicht anders zu erwarten ist. Die mit Liebe zum Detail gestaltete Ausstellung, der freundliche Empfang und die entspannte Atmosphäre haben den Museumsbesuch zu einem großen Vergnügen gemacht. Schade, dass es über einige Faltblätter mit Informationen über Perlmutter, die Herstellung verschiedener Knopftypen sowie Aberglauben und Redensarten hinaus offenbar keinen Katalog des Museums mit farbigen Abbildungen oder eine Chronik der Bärnauer Knopfgeschichte gibt! Das ist sicher eine Frage des Budgets, aber ich hätte eine solche Publikation sehr gerne meiner Knopfbibliothek hinzugefügt. (Falls es sie doch gibt und ich sie nur übersehen haben sollte, bin ich für einen Hinweis dankbar.)
Für alle, die auch Lust auf einen Ausflug in die Welt der (Perlmutter-)Knöpfe bekommen haben, hier die Kontaktdaten:
Deutsches Knopfmuseum
Tachauer Straße 2, 95671 Bärnau
Telefon (0 96 35) 18 30 oder 3 45 00 28
E-Mail info@deutsches-knopfmuseum.de
Öffnungszeiten: April bis Oktober, Donnerstag bis Sonntag (und an Feiertagen) 13 bis 17 Uhr
deutsches-knopfmuseum.de